Wie erfolgreiche Unternehmen Personalpolitik machen

Sprachkenntnisse, Einfühlungsvermögen und eine hartnäckige Geduld werden von A-Mitarbeitern verlangt

Intelligente Unternehmer warten auf die richtigen Bewerber (Foto: Fotolia)

Eine Ausbildung allein reicht nicht mehr. A-Mitarbeiter sind teamfähig, geduldig und gehen auf Patienten ein. Personalfragebögen, Assessment Center und Interviews helfen Chefs bei der richtigen Auswahl.

(Foto: Domino-World)

Fachkräftemangel in der Pflege – da nimmt der Chef doch jeden, den er kriegen kann. Nicht so Lutz Karnauchow. Der Gründer von Domino-World setzt auf die Aktivierung seiner Kunden. Deshalb müssen sich seine 600 Pflegekräfte mit großen Widerständen auseinandersetzen. Der Psychologe hat eine eigene Ausbildung entwickelt, die alle Angestellten durchlaufen müssen: das sogenannte Domino-Prinzip. Es setzt auf großes Einfühlungsvermögen. Denn viele Patienten haben depressive Züge und müssen aus der „Ich-kann-nichts-mehr-Ecke“ herausgeholt werden. „Da coachen wir zunächst rund sechs Wochen“, so der 62-Jährige, der in und um Berlin 13 Einrichtungen betreibt. Erst wenn die Kunden ihre Welt wieder mit anderen Augen sehen, kann gemeinsam ein Zielbild entwickelt werden.

Fachliche Qualifikation ist zu wenig

Pflege-Qualifikation allein reicht da nicht aus. Um diese intensive Coaching-Arbeit zu leisten, benötigen die Mitarbeiter Sprachkenntnis, Einfühlungsvermögen und eine hartnäckige Geduld. Seit 1989 ist etwa Klaus Gottschick dabei – zunächst als Student mit Nebenjob, drei Jahre später als Pflegehelfer. Der inzwischen 51-Jährige kann sich keinen besseren Arbeitsplatz vorstellen, weil er im Unternehmen mitwirken kann, weil bei den Patienten „verschüttete Ressourcen sprudeln“ und weil ihm der tägliche Kontakt mit seinen Patienten schlichtweg Spaß macht. Fortbildungen und Supervisionen suchten ihresgleichen. Und dass er vor Jahren einen Vorschlag für die Prämienregelung kritisiert und einen Gegenvorschlag einbrachte, der dann auch noch umgesetzt wurde, ist für ihn ein Zeichen, dass er bei einem besonderen Arbeitgeber angestellt ist.

A-Mitarbeiter ziehen den Karren

(Foto: ABC-Personal-Strategie)

Jörg Knoblauch ist ein leidenschaftlicher Verfechter der Einteilung in ABC-Mitarbeiter (www.abc-personal-strategie.de). Deshalb gefallen ihm Unternehmen, wie Domino-World, die gezielt herausragende Mitarbeiter einstellen und sie weiterentwickeln. „Ein erfolgreiches Unternehmen benötigt mindestens 80 Prozent A-Mitarbeiter“, so der Buchautor („Das Geheimnis der Champions“ www.geheimnis-der-champions.de)). Das seien Mutmacher, die mit Herz, Hand und Verstand dabei sind. Sie überträfen die gesteckten Ziele, seien überdurchschnittlich engagiert und erfolgreich. Letztlich seien sie die Messis und Ronaldos ihrer Branche.

Diese A-Mitarbeiter zu finden und einzustellen, fällt vielen Unternehmen schwer. Denn allzu oft gehen sie nach dem Schema F vor: Bewerbung lesen und beurteilen, ein Gespräch führen und dann den Arbeitsvertrag unterzeichnen. Dieses Vorgehen findet Knoblauch fährlässig. Bei Google beispielsweise führen neue Mitarbeiter bis zu 20 Gespräche mit einzelnen Kollegen, dem Team, unterschiedlichen Vorgesetzten und dem Chef. Denn der neue Mitarbeiter soll seine Fähigkeiten zusammen mit diesen Menschen einbringen. Die Chemie muss stimmen. Chefs müssen sich Zeit nehmen für diese zentrale Aufgabe, sagt der schwäbische Unternehmer und rät: klares Anforderungsprofil mit konkreten Zielen erstellen, Netzwerk aktivieren, Telefoninterviews führen, Referenzen einholen und Probezeit mit Meilensteinen vereinbaren.

Ein Fragebogen sagt mehr als eine gestylte Bewerbung

(Foto: EasySoft)

Um bessere Entscheidungen bei der Mitarbeiterauswahl zu treffen, entwickelte Easysoft einen sechsstufigen Einstellungsprozess. „Zentral ist ein Fragebogen mit acht Punkten, den jeder Bewerber mit der Eingangsbestätigung erhält“, sagt Geschäftsführer Andreas Nau.

Darin geht es beispielsweise um berufliche und private Ziele ebenso wie um Werte. Sehr gute Bewerbungen, die offensichtlich mit einem Bewerbungscoach erstellt wurden, fallen durch. Während durchschnittliche Bewerbungen plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen.

Denn der Entwickler von Seminar- und Personalentwicklungssoftware – unter anderem für Klinken, deren Schulen und Pflegeeinrichtungen – sucht nach eigenverantwortlichen Mitarbeitern, die kreativ an neue Entwicklungen gehen und kundenorientiert denken. Wer etwa klar sagen kann, wie er sich persönlich weiterentwickeln will oder unterschiedliches soziales Engagement zeigt, der passt eher ins Team. Vor Vertragsabschluss sollten Bewerber ein paar Tage mitarbeiten. So lernen die Kollegen den Neuen kennen. „Die Meinung der Mitarbeiter ist oft entscheidend“, sagt Nau, „lieber lassen wir eine Stelle unbesetzt, als einen lediglich passablen Bewerber einzustellen.“

Pflegeeinrichtungen müssen sich positionieren

Spätestens seit der Generation Y müssen sich Unternehmen positionieren und mit Employer Branding beschäftigen. Denn diese mittlere Generation fragt nach dem Sinn ihrer Tätigkeit, nach Freizeit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie. „Werte machen wertvoll“, kommentiert Jörg Knoblauch eine zukunftsträchtige Unternehmenskultur. Je mehr Freiheiten einzelne Mitarbeiter haben, desto mehr sind Werte ein Kompass, der Orientierung gibt. Entscheidend: Gemeinsame Werte werden nicht für die Ewigkeit definiert, um sie als Leitbild an die Wand zu hängen oder ins Internet zu stellen. Es ist wichtig, tatsächlich an den Werten zu arbeiten, diese im Alltag zu überprüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.

INFOKASTEN

Für das Buch „Das Geheimnis der Champions“ haben Jörg Knoblauch und sein Kollege Benjamin Kuttler weltweit viele Unternehmen untersucht. Was sind deren Erfolgsfaktoren beim Personal? Fündig geworden sind sie im Silicon Valley. Aber auch in Ostwestfalen, auf der Schwäbischen Alb oder in Schleswig-Holstein gibt es Mittelständler, Pflegeeinrichtungen und Handwerksbetriebe, die mit einer pfiffigen Personalpolitik die besten Mitarbeiter finden und binden.Die folgenden sieben Erfolgsfaktoren zeigen, worauf es ankommt.„Das Geheimnis der Champions: Wie exzellente Unternehmen die besten Mitarbeiter finden und binden“ von Jörg Knoblauch und Benjamin Kuttler. Campus Verlag, 280 Seiten, ISBN: 978-3593505367, 34 Euro.


Jens Gieseler ist Kommunikationsberater, Journalist und Heilpraktiker für Psychotherapie. In den letzten beiden Lebensjahren war sein Vater pflegebedürftig. Deshalb hat er sich mit der Pflegebürokratie herumschlagen müssen und viel Sensibilität für das Altern und Sterben entwickelt. Erkenntnis: Beziehungen werden immer wichtiger.