Pflegeheim der Zukunft

Wohngemeinschaften bieten alltagsähnliche Strukturen

 Gemeinsame Aktivitäten, Einzelzimmer oder motivierte Pflegekräfte sind ein paar Gründe, weshalb Senioren-WGs attraktiv sind

Senioren Wgs finden immer mehr Andrang und sorgen für ein wohnliches Gefühl bei Bewohnern (Foto: Fotolia)

Rund 90 Senioren in Wiblingen sollen ab 1.Oktober von dem Pflegeheim des Klosters in das neue Haus in der Kapellenstraße umziehen. Doch die gewöhnlichen Strukturen eines Pflegeheims sind hier nicht vorzufinden: Wohn- und Lebensqualität stehen an erster Stelle.

Wohngemeinschaft mit persönlichem Flair

 „Das neue Haus verfügt im ersten und zweiten Stock über sechs Wohngruppen mit jeweils 15 Plätzen. Im dritten Stock gibt es 13 betreute Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen“, erklärt Verena Rist. Die gesamte Einrichtung verfügt laut  Geschäftsführerin der Pflegeheim GmbH des Alb-Donau-Kreises nur über Einzelzimmer, die alle einen eigenen Sanitärbereich beinhalten.

Alle Zimmer sind nur mit einem elektrischen Krankenbett und einem Nachtisch ausgestattet. Den Rest des Raumes kann jeder Senior individuell einrichten. „Jeder Mensch fühlt sich heimischer, wenn der Lieblingssessel in der Ecke steht oder Bilder der Kinder die Wände zieren“, sagt die Ulmerin. Außerdem sorgen kurze Flure mit vielen Fenstern für wohnliches Ambiente und verdrängen die Vorstellung des typischen Pflegeheims mit langen, krankenhausähnlichen Gängen.

Gemeinsam isst`s sich besser

Um die Senioren zusammenzuführen gibt es gemeinsame Ess- und Kochbereiche, sowie ein Café und einen Mehrzweckraum für Veranstaltungen im Erdgeschoss. „Jede Wohngemeinschaft hat ihre eigene Küche. Wir kochen mit den Bewohnern“, erklärt die 38-Jährige. Dabei gehe es um Teilhabe an gewöhnlichen Strukturen des Alltags: Kartoffel schälen, Tisch decken, abspülen.

Der Vorteil: Die hauswirtschaftlichen Kräfte sind nicht in einer zentralen Küche fernab gebunden, sondern sind wie das andere Personal für die Bewohner präsent, ansprech- und spürbar. Gemeinsames Kochen und Essen regt zudem den Appetit an, der im Alter oft nachlässt. „Natürlich zwingen wir keinen Senior, mitzuhelfen. Man kann auch nur zuschauen“, so Rist. Hervorzuheben sei, dass dadurch familienähnliche Strukturen entstehen.

Loyalität unter Kollegen zahlt sich aus

„Das Personal ist anders verteilt, als in gewöhnlichen Pflegeeinrichtungen“, erklärt die Diplom-Sozialökonomin. Das stellt neue Anforderungen an die hauswirtschaftlichen Kräfte und auch das klassische Bild vom Altenpfleger weitet sich. Denn in Summe ist mehr Personal in den Wohnbereichen präsent. Alle helfen mit, wenn Engpässe entstehen, begleiten Ausflüge der Senioren und bieten betreuungsaktivierende Tätigkeiten.

Auf 15 Bewohner kommen in Wiblingen eine Präsenzkraft und sieben Pflegekräfte. „Am Herzen liegt uns die Selbstständigkeit der Senioren“, so Rist. So sind alle Mitarbeiter bis zum Hausmeister bemüht, die Bewohner in jede Tätigkeit zu involvieren. Sei es der Besuch des Wochenmarktes, das Einkaufen der Getränke oder den Müll rauszutragen.

Zukunftsweisende Alternativen

Zusätzlich gibt es künftig 20 Zimmer für Interessenten. „Die Einrichtung ist noch nicht einmal fertig gebaut, doch schon komplett belegt“, so Rist. Das Haus in Wiblingen ist das siebte Projekt dieser Art der Pflegeheim GmbH des Alb-Donau-Kreises seit Ende 2015. Die Vorschrift, ab 2019 nur noch Einzelzimmer anzubieten, decken diese sieben Häuser bereits ab. „Viele Träger scheuen sich, baulich neue Wege zu gehen und ihr Personal alternativ einzusetzen“, so die Geschäftsführerin.

Der Unterschied macht sich auch preislich bemerkbar. „Alleine im Bau gibt es höhere Investitionskosten, etwa durch die offenen Küchen in den Wohngemeinschaften“, erklärt die 38-Jährige. Auch im Betrieb sei eine betreute Senioren-WG nicht preiswert, da der maximale Personalschlüssel genutzt werden müsse. „Natürlich haben wir auch überlegt, Senioren von Studenten betreuen zu lassen“, sagt Rist.

Gescheitert sei dies an den Räumlichkeiten und am Fehlen einer stationären Anlaufstelle. Auch eine Wohngemeinschaft mit Jugendlichen sei in Betracht gezogen worden. „Bei der Jugend und den Älteren liegen die Schwerpunkte anders. Angebote, die beiden Generationen gefallen, sind rar“, erklärt die Geschäftsführerin. Des Weiteren müsse bei einer Jugend-Senioren-WG der Standort perfekt sein: zentral für die Jugend, ruhig für die Älteren. „Wir stehen neuen Projekten dieser Art aber offen gegenüber“, erklärt Rist.


Nele Ruppmann Jahrgang 1998, studiert germanistische Linguistik an der Uni Stuttgart. Nebenher ist sie als freie Mitarbeiterin für die Pflegebibel aktiv. Ihr Lebensmotto: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“