Chinesische Pflegekräfte: Chop Suey im Seniorenzimmer

Auslandsprojekte sollen deutsche Heime entlasten

Wenjing Cai kommt bei den Bewohnern gut an (Foto: Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg)

Wenjing Cai kniet konzentriert vor einer älteren Dame. In ihrer Hand ein Blutdruckmessgerät. Mit dem Stethoskop kontrolliert die junge Chinesin den Puls. Seit knapp einem Jahr ist das Alltag in der Stuttgarter Eduard-Mörike-Seniorenwohnanlage. Zwei Chinesinnen sorgen hier dafür, dass Bewohner medizinisch versorgt sind.

150 Chinesen in deutschen Heimen

Bis zum Jahresende sollen insgesamt 150 chinesische Pflegekräfte in deutschen Pflegeheimen arbeiten. Alle können einen Bachelorabschluss im Fach Pflege und mindestens ein Jahr Berufserfahrung in Krankenhäusern nachweisen. Das vom Arbeitgeberverband Pflege ins Leben gerufene Pilotprojekt kann sich vor Bewerbern kaum retten. Kein Wunder. „In China verdienen Fachkräfte umgerechnet maximal 500 Euro im Monat, in Deutschland sind es 2725 Euro“, weiß Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege. Zudem bildet das Reich der Mitte deutlich mehr Fachkräfte aus, als es tatsächlich einsetzen kann.

Pflegepersonal ist knapp

Für hiesige Träger, denen es vorne und hinten an Personal fehlt, ist das Projekt eine Chance. Ingrid Hastedt vom Wohlfahrtswerk Baden-Württemberg meint: Selbst wenn es gelänge, deutlich mehr Menschen als heute für den Pflegeberuf zu gewinnen, „reicht das inländische Arbeitskräftepotenzial für die künftig steigende Pflegenachfrage nicht aus“, so die Vorsitzende. Schon jetzt fehlen rund 30.000 Altenpfleger. Und die Situation spitzt sich weiter zu. Studien zufolge steigt in den kommenden 15 Jahren der Bedarf noch einmal um zusätzlich 180.000 Fachkräfte. Das Wohlfahrtswerk setze deshalb darauf, Personal im Ausland zu gewinnen.

Heimweh nach dem Ehemann

Wenjing Cai hat vor in der Eduard-Mörike-Seniorenwohnanlage zu bleiben. Acht Monate lang wurde sie in China mit intensiven Sprach- und Kulturkursen auf ihre neue Lebenswelt vorbereitet. Hier gelandet, war die Umstellung trotzdem groß. „Ich war überrascht wie ruhig es in Deutschland ist. Es gibt viel weniger Menschen als in China“, erzählt sie. Inzwischen habe sie sich aber eingelebt und vermisse lediglich ihren Ehemann. Der kommt nach, sobald seine Frau die Anerkennungsprüfung bestanden hat. Deshalb lernt die 28-Jährige fleißig Vokabeln. Als Fachkraft für Gesundheits- und Krankenpflege wird nur anerkannt, wer neben Fachkenntnissen auch Deutsch-Sprachniveau B2 nachweisen kann. Das bedeutet: Man kann sich spontan und fließend verständigen. Normale Gespräche mit Muttersprachlern strengen nicht an.

Dolce Vita im Seniorenwohnen

Die ebenfalls am China-Projekt beteiligte Evangelische Heimstiftung blickt neben Fernost vor allem auf Südeuropa. „Wir sehen es als unsere Verantwortung an, Fachkräften aus Krisenländern eine Perspektive aufzuzeigen“, so Marion Aichele, Auslandsprojekt-Beauftragte. Seit 2012 werde in Portugal, Spanien und Italien rekrutiert. Pro Jahr kommen circa 25 ausgewählte Bewerber in Deutschland an. Sie bringen ein abgeschlossenes Studium mit, können aber kein Deutsch.

„Zum Sprachkurs gehen sie erst hier“, berichtet Aichele, „oft sprechen Bewerber aber so gut englisch, dass die Verständigung kein Problem ist.“ Zur Not stünden Kollegen bereit, die italienisch oder portugiesisch sprechen. Trotz gelegentlicher Sprachschwierigkeiten kommen die Südeuropäer bei Heimbewohnern gut an. Sie brächten oft eine unvergleichliche Lebenslust mit ins Haus und seien Senioren gegenüber höflich und respektvoll.

Warmes Lächeln reist Mauern ein

Ähnliches beobachtet Ingrid Hastedt bei den Chinesinnen. Zwar gebe es erhebliche Hürden, was Sprache und Kosten – beispielsweise für Unterkunft und Integration – angehe, man habe aber festgestellt, dass die Frauen ein großer Gewinn für die Häuser seien. „Sie sind offen, außerordentlich höflich und freundlich und kommen bei Senioren und Angehörigen sehr gut an.“ Vorerst ist das China-Projekt auf fünf Jahre ausgelegt. Kehren die jungen Pflegerinnen in ihre Heimat zurück, warten beste Berufschance auf sie, meint Steffen Ritter, Pressesprecher des Arbeitgeberverbands Pflege. Die Pflegekultur stecke dort erst in den Kinderschuhen und brauche dringend „Führungskräfte mit Ahnung“. Im Wohlfahrtswerk hofft man darauf, dass einige der jungen Damen „Gefallen an Spätzle und Maultaschen finden“ und für lange Zeit in Deutschland bleiben.