Ich pflege: Jan Lachnit (24)

„Die Pflege muss sich selbst finden“

Jan Lachnit (Foto: privat)

Kurzsteckbrief
Name: Jan Lachnit
Ort: Goslar
In der Pflege seit: 2011
Beruf: Gesundheits- und Krankenpfleger
Arbeitsumfeld: Psychiatrie

 

 

Warum hast du dich als Pfleger beworben?

Schuld daran ist ein Tapas-Abend mit einer Freundin. Ich war damals Azubi in der Stadtverwaltung. Im Restaurant kamen wir mit zwei Psychiatrie-Pflegern am Nachbartisch ins Gespräch. Die haben mich überzeugt. Ich habe Pflegekräfte immer bewundert. Mein Vater sitzt im Rollstuhl, deshalb hab ich viele Krankenhausaufenthalte mitbekommen.

Wie ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen unter den Psychiatrie-Pflegern?

Ausgeglichen. Im Umgang mit psychisch Kranken kommt’s immer wieder zu heiklen Situationen, da werden Männer gerne genommen. Ich glaub aber auch, dass viele Männer in diesen Bereich gerade wollen, weil es hier weniger Stutenbissigkeit gibt.

Du sagst es gibt heikle Situationen. Was war denn das Heftigste, was du erlebt hast?

Als ein drogenabhängiger Patient eine meiner Kolleginnen krankenhausreif geschlagen hat. Das war wirklich schlimm.

Wie ging’s dann weiter?

Ganz ehrlich, erstmal hab ich tiefen Hass empfunden. Wir haben im Team viel darüber gesprochen. So ist das Gefühl recht schnell verflogen. Der Patient wurde trotzdem verlegt. In dieser Situation konnte die Professionalität nicht mehr gewährleistet werden.

Lernt ihr mit solchen Eskalationen umzugehen?

Naja, es gibt Schulungen während der Ausbildung. Reale Situationen sind aber doch anders. Gute Arbeitgeber sorgen für regelmäßige Workshops. Die Schwierigkeit liegt darin, diese im engen Zeitplan unterzubekommen.

Was baut dich wieder auf?

Wenn Patienten gehen und vor Dankbarkeit strahlen. Ein „Ohne euch hätte ich’s nicht geschafft“ macht mich glücklich. Vor einigen Wochen gab es einen sehr traurigen Vorfall. Jemand hat sich das Leben genommen. Wir konnten nicht mehr helfen. Sowas ist schrecklich. Trotzdem, es war ein tolles Gefühl, als ein Patient zu mir kam, mich in den Arm nahm und ein paar tröstende Worte sagte.

Du bist in einem sehr emotionsgeladenen Umfeld tätig. Was hilft dir beim Runterkommen?

Ich bin Schiedsrichter beim Fußball. Während des Spiels kann ich sozusagen die Seele baumeln lassen. Dabei denk ich an nichts, außer an das, was auf dem Feld passiert.

Ist das nicht schwer mit deinen Wochenenddiensten vereinbar?

Dank meines Teamleiters nicht. Er stellt Quartalsdienstpläne auf. Das heißt, ich weiß lange im Voraus, wann ich arbeiten muss und wann ich pfeifen kann. Klar, wenn Not am Mann ist, werde ich gefragt, ob ich einspringen kann. Das ist aber ein „KANN“ kein „MUSS“ und wird kollegial verteilt.

Empfindest du deine Bezahlung als gerecht?

Nein, ich bin über eine betriebsinterne Zeitarbeitsfirma angestellt. Im Schnitt verdiene ich 200 bis 300 Euro weniger, als andere in meiner Position. Deshalb kämpfen wir für einen hauseigenen Tarifvertrag. Ver.di ist bereits mit meinem Arbeitgeber im Gespräch.

Müssen mehr junge Leute in die Pflege?

Da bin ich zwiegespalten. Klar, man kann nie genug junge Kollegen haben. Aber nicht jeder ist hierfür geboren. Man muss damit umgehen können zum Beispiel mit Körperausscheidungen in Berührung zu kommen. Andererseits ist die Arbeit mit Menschen unvergleichlich und man bekommt alles zurück. Für mich ist das ein Traumjob. Aber für viele nicht.

Liegt es an den Arbeitsbedingungen?

Auch. Daran wird sich aber so schnell nichts ändern. Ich sage immer: Die Pflege muss sich selbst finden. Solange wir Pfleger nicht zu unserem Berufsstamm stehen und den Mund aufmachen – auch gegenüber Vorgesetzten – kann nichts Neues entstehen. Das beste Beispiel ist die Pflegekammer. Eine super Idee finde ich, endlich eine Institution, die für die Pflegebranche einsteht. Viele haben aber direkt Angst. Da heißt es, die wollen nur Geld machen und, und, und. Meiner Meinung nach ist die Pflege noch nicht bereit für eine Umstrukturierung. Aber wir arbeiten dran.

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