Ich pflege: Bettina Holy (53)

„Mein Beileid – kann ich nicht sagen“

WBL Bettina Holy (Foto: privat)

Kurzsteckbrief
Name: Bettina Holy
Alter: 53
Ort: Osnabrück
In der Pflege seit: 1999
Beruf: Hauswirtschafterin, Altenpflegerin, PDL und Wohnbereichsleiterin (WBL)
Arbeitsumfeld: Wohnbereich mit 30 Bewohnern und 30 Mitarbeitern

Sie haben mit 37 Jahren erst ihre Ausbildung zur Altenpflegerin gemacht, wie kam es dazu?

Ich habe davor meine beiden Kinder groß gezogen. Wobei ich schon lange in einem Pflegeheim als Hauswirtschafterin gearbeitet habe. Irgendwann dachte ich: Na, das kann ich besser (lacht). Und dann hat das Arbeitsamt die Umschulung finanziert und los ging´s.

Als WBL haben Sie eine klassische Sandwichposition, wie sieht ihr Alltag aus?

Für mich ist das Wichtigste, mich für die Arbeit und den Alltag meiner Mitarbeiter zu interessieren. Das bedeutet, dass ich oft schon um halb sieben auf dem Wohnbereich bin, um mit der Nachtwache zu reden, statt irgendwann das Übergabeprotokoll zu lesen. Auch, wenn die Chefs immer wieder fragen, ob ich so früh anfangen muss.

Was hören Sie dann von Ihren Kollegen?

Zum einen, wie die Nacht gelaufen ist. Wo es Probleme gab oder wo wir etwas in der Pflege umstellen müssen. Ich erfahre aber auch, wenn plötzlich das Kind krank ist oder der Hund zum Tierarzt muss. Da ich die Dienste plane, kann ich dann auf die Bedürfnisse eingehen. Zwar haben wir ein Dienstplanwünschebuch, aber Dinge passieren eben unvorhergesehen. Und dann versuche ich zu helfen.

Wie wirkt sich das aus?

Der Krankenstand in unserem Wohnbereich ist momentan extrem niedrig. Derzeit nur eine Langzeitkranke. Ich denke, das ist auch ein Resultat des menschlichen Umgangs, den wir Kollegen untereinander pflegen. Und ein bisschen Glück.

Und wer sorgt sich um ihre Nöte?

Mein zukünftiger Mann. Als Ingenieur ist er weniger sozial vorbelastet. Er hört mir zu und ich kann ihm einfach erzählen. Das ist mein prophylaktisches Psychoprogramm – wenn Sie so wollen.

Sie haben neben dem Beruf ihre beiden Schwiegerväter beim Sterben begleitet.

Ja, und beide Schwiegermütter sind mir dafür sehr dankbar. Ich konnte eine professionelle Distanz bewahren und den beiden Männern so den Abschied in der Familie ermöglichen. Aktuell mache ich noch eine Weiterbildung zur Sterbebegleiterin bei unserm örtlichen Hospizdienst. In meinem privaten Umfeld gelte ich inzwischen als“ Expertin“ für Sterbebegleitung.

Mancher Angehörige wird, wenn die Eltern sterben, zum ersten Mal im Leben mit dem Tod und oft mit einem schmerzlichen Weg dahin konfrontiert.

Ja, ich kann daher auch nicht sagen: „Mein Beileid“. Die Realität sieht eben oft anders aus. Viele Menschen ringen lange mit dem Tod und haben trotz Medikamentengabe Schmerzen. Ehrlicher ist es für mich, der Tochter dann zu sagen: „Es ist doch schön, dass ihre Mutter jetzt gehen durfte.“

Nochmal zurück zum Arbeitsalltag. Gibt es etwas, das Sie wirklich nervt?

Das Schwarz-weiß-Denken. Die da oben und die da unten. Auch hier ist die Realität vielschichtiger. Ein Beispiel: Wir haben seit Januar eine Checkliste zur Pflegevisite eingeführt. Mancher Mitarbeiter hatte Angst, dass er kontrolliert wird. Oder gar Konsequenzen fürchten muss wie Jobverlust. Klar kam da auch Ärger über „die da oben“ hoch. Wenn ich aber erkläre, dass es mir als „Kontrolleurin“ darum geht wie es dem Bewohner geht, kann diese Angst weichen. Natürlich besprechen wir die Visite im Anschluss. Aber es ist eine Frage der Haltung wie ich Vorschriften und Formularen begegne. Die Intention ist ja zum Wohl des Menschen, den wir pflegen und nicht gegen die Mitarbeiter.