Ich pflege: Annette Hartrampf (54)

„Dass mein Mann nicht mehr derselbe ist, ist am Schlimmsten“

Annette Hartrampf (Foto: privat)

Kurzsteckbrief
Name:
Annette Hartrampf
Alter: 54
Ort: Magdeburg
In der Pflege seit: 2005
Beruf: Gesundheits- und Krankenpflegerin
Arbeitsumfeld: Altenpflege, pflegt ihren demenzkranken Ehemann Zuhause

 

Frau Hartrampf, sie pflegen beruflich, sind aber gleichzeitig pflegende Angehörige. Wie sieht ihr Alltag aus?

Anstrengend. Ich komme kaum zur Ruhe. Fertig mit der Arbeit geht’s direkt weiter. Oder im Spätdienst schon vor der Arbeit. Erst wenn mein Mann schläft, habe ich Zeit die Füße kurz hochzulegen. Er ist seit einem Jahr demenzkrank.

Einen ambulanten Pflegedienst haben Sie bisher nicht beauftragt. Warum?

Das wäre schwierig, schließlich arbeite ich in Schichten. Wie sollte ein Pflegedienst meinen Arbeitsplan eintakten? Wöchentlich wechselnde Zeiten lassen sich schwer in deren Touren integrieren. Bis jetzt geht es aber auch ohne.

Zettelchen helfen beim Erinnern (Foto: privat)

Wie?

Die Demenz meines Mannes ist noch nicht weit fortgeschritten. Ich arbeite viel mit Zetteln, die ihn an bestimmte Dinge erinnern. Sein Essen zum Beispiel kann er sich noch selbst warm machen. Und da das Bedienen der Kaffeemaschine schwierig ist, gibt’s den eben in löslicher Form.

Sie pflegen 24 Stunden – entweder im Heim oder Zuhause. Was belastet Sie dabei am meisten?

Dass mein Mann nicht mehr der ist, den ich kennengelernt habe. Ich hab drei Jahre im Demenzzentrum gearbeitet. Das heißt, die Situation war mir nicht völlig fremd. Trotzdem: Es ist etwas komplett anderes, wenn man privat betroffen ist. Dazu weiß ich durch meine Arbeit auch, wie es einmal enden wird. Das ist wirklich schlimm.

Das klingt traurig.

Das ist es auch oft. Trotzdem gibt es schöne Momente. Als mein Mann zur Diagnostizierung in der Neurologie war, wurde laut Stationsärztin ein Mini-Mental-Status-Test gemacht. Damit stellt man kognitive Defizite fest. Die Patienten müssen unter anderem einen selbstgewählten Satz aufschreiben. Mein Mann schrieb: „Meine Frau ist schön.“ Das hat mich in der Seele berührt.

Haben Sie Hilfe?

Wenig. Die Familie will die Demenz meines Mannes nicht wahrhaben. Da heißt es, er vergisst halt manchmal was und, dass ich übertreibe. Dabei täte es echt gut, einmal zu hören: „Annette, du machst das super. Dein Mann ist immer ordentlich angezogen und rasiert. Es geht ihm gut. Danke.“ Zum Glück habe ich tolle Kollegen, die meine Situation kennen und mich auch mal in den Arm nehmen.

Wie kam es, dass Sie beruflich in der Pflege gelandet sind?

Ich war damals über 40 und arbeitslos. Auf dem Amt hat man mir eine Umschulung zur Alten- oder Krankenpflegerin angeboten. Ich wollte unbedingt wieder arbeiten, also habe ich das gemacht. Früher war ich im Büro tätig. Ich hätte selbst nie gedacht, dass ich eines Tages pflegen werde. Aber es macht mir Spaß.

Mit über 40 nochmal Azubi sein, war das schwierig?

Ja, ich war mit Abstand die Älteste in der Klasse. Das Lernen fiel mir unheimlich schwer. Ich hatte während der Ausbildung mehr Probleme als damals mit dem Abi. Man verlernt es tatsächlich zu lernen. In Prüfungssituationen war ich das reinste Nervenbündel. Trotzdem hat’s geklappt.

Und Sie haben sich sogar noch weiter gebildet.

Genau. Inzwischen bin ich gerontopsychiatrische Fachkraft. Dafür musste ich eine halbjährige Zusatzausbildung machen. Also, einmal pro Woche Schule und am Ende eine Facharbeit, die ich mündlich verteidigen musste. Darauf bin ich sehr stolz.

Trotzdem arbeiten Sie nicht mehr auf der Demenzstation. Warum?

Um ehrlich zu sein, ich konnte es nicht mehr. Nicht jetzt, da mein Mann demenzkrank ist. Jeden Tag vor Augen geführt zu bekommen, wie sich die Krankheit entwickeln könnte, war zu viel. Zwar gibt es im Pflegeheim auch Demente, aber nicht in dieser großen Masse.

Frau Hartrampf, danke für das Interview und alles Gute!