Netzfundstück: App hilft pflegenden Angehörigen

Erklär-Videos für Pflege ohne Rückenschmerzen

Mit der App lernen Pflegebedürftige und Pflegende, ihren Alltag gemeinsam zu bewältigen ( Foto: Fotolia)

Rund 1,25 Millionen Pflegebedürftige werden in Deutschland Zuhause versorgt. Oft 24 Stunden am Tag. Angehörige geraten dabei häufig an ihre Grenzen – psychisch wie körperlich. Mit der kostenlosen App Kinaesthetics Care will Henriette Hopkins diesen Helfern das Leben erleichtern.

Erste Hilfe für pflegende Angehörige

„Im Pflegefall ist man erstmal überfordert“, weiß Henriette Hopkins, Erfinderin von Kinaesthetics Care, „man muss schnell viel organisieren, hat wenig Zeit und Hilfe.“ In dieser Notsituation bietet ihre App, die auf allen gängigen Tablet-Betriebssystemen läuft, erste Hilfe. So erklärt die Applikation beispielsweise das Pflegeversicherungsgesetz anhand konkreter Situationen. Verständlich und für jedermann nachvollziehbar.

Umgang mit Kasse und Co.

User finden Antragsformulare und Tipps zur Kommunikation mit Pflegekassen oder dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). „Nicht jedem fällt es leicht, die Dringlichkeit seines Anliegens in Worte zu fassen“, vermutet Hopkins, „die App gibt dazu Hilfestellung. Wenn ich ein Pflegebett beantrage, brauche ich das sofort, nicht in drei Wochen.“

Idee durch Pflege der Großeltern

Schätzungsweise ein bis zwei Millionen Deutsche sind pflegende Angehörige. Sie pflegen Partner, Kinder, Eltern oder andere nahestehende Personen in den eigenen vier Wänden. Genaue Erhebungen gibt es nicht. Oft sind mehrere Angehörigen an der Pflege beteiligt. Wie sich der Alltag dieser Bevölkerungsgruppe anfühlt, erfuhr Hopkins am eigenen Leib. Die heute 52-Jährige war nicht nur beruflich pflegerisch tätig, sie betreute auch die eigenen Großeltern. Zuerst am Wochenende, später Vollzeit.

Häusliche Pflege – weg vom Tabuthema

„Damals ist mir aufgefallen, dass kaum jemand über häusliche Pflege spricht“, sagt die Münchnerin. Dabei sei es für Betroffene wichtig, zu wissen, dass sie mit ihren Sorgen nicht allein sind. Dass es okay ist, mit den Nerven am Ende zu sein und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Süddeutsche wurde selbst aktiv und entwickelte Kinaesthetics Care. Die App hilft, ohne dass sich Pflegende öffentlich „outen“ müssen. Für diese Innovation ist Hopkins mit dem diesjährigen Health:Angel Award ausgezeichnet worden – sozusagen der Branchen-Oskar.

App-Videos geben Anleitung

„Pflege ist ein Knochenjob“, erklärt Hopkins. Deshalb lernen App-Nutzer in integrierten Video-Kursen das Bewegungskonzept ‘Kinaesthetics‘ kennen. „Dabei geht es um das gemeinsame Tun. Die Mobilität des Pflegebedürftigen wird gefördert, während die Pflegeperson gleichzeitig entlastet wird“, erläutert die Unternehmerin.

Gemeinsam bewegen – Ressourcen nutzen

Henriette Hopkins will pflegende Angehörige entlasten (Foto: PR)

Eine professionelle Kinaesthetics-Trainerin erklärt Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen wie sie alltägliche Bewegungsabläufe, etwa das Aufstehen aus Bett oder Rollstuhl, miteinander bewältigen können. „Das ist nicht nur für die Gesundheit gut. Etwas zusammen zu schaffen, stärkt auch die Beziehung untereinander“, so die Expertin. Pflegebedürftige hätten dabei häufig ein Aha-Erlebnis a la „Das kann ich ja noch selbst.“

App bleibt aktuell

Drei kostenfreie Videos sind beim Download der App inklusive. Wer alle – derzeit elf – Video-Schulungen nutzen möchte, kann sich für 4,99 Euro die Premiumversion kaufen.

Auf Dauer soll zudem ein Forum integriert werden, in dem sich pflegende Angehörige auch über große Distanz austauschen können. „Ich entwickle die App ständig weiter. Mehr Videos und zusätzliche Service-Angebote sind bereits in Planung“, versichert Hopkins.