Ich pflege: Christian Hübner (34)

„Die Pflege ist ein Haufen voller Jammerlappen“

Foto: Privat

Name: Christian Hübner
Alter: 34
Ort: Stuttgart
in der Pflege seit: 2011
Beruf: Gesundheits- und Krankenpfleger, examinierter Altenpfleger
Umfeld: Nephrologie, allgemeine innere Medizin mit Bereich für kognitive Geriatrie

Du bist sowohl GuK als auch Altenpfleger, wie geht das?

Ich habe die integrative Pflegeausbildung gemacht. Anstatt drei dauert sie dreieinhalb Jahre und hat zum Ziel Inhalte aus den Berufen Kinderkrankenpflege, GuK und Altenpflege zusammen zu bringen. Ich finde das logisch, schließlich gibt es viele Menschen, die in unterschiedlichen Altersstufen Pflege brauchen.

Erzähl mal, wie läuft so eine Ausbildung ab?

Unterrichtsblöcke und Praxiseinsätze wechseln sich ab, wie bei der „normalen“ Ausbildung. Der große Unterschied liegt darin, dass wir sowohl in Krankenhäuser als auch in Einrichtungen der Altenpflege eingesetzt wurden. Das letzte halbe Jahr war dann komplett der Altenpflege gewidmet.

Auf eurer Station gibt es einen Extra-Bereich für kognitive Geriatrie. Was heißt das?

Dort nehmen wir Patienten auf, die beispielsweise demenzkrank sind. Viele kommen aus Pflegeheimen, der Gerontopsychiatrie oder der häuslichen Pflege zu uns. Sie brauchen eine spezielle Betreuung und werden interdisziplinär behandelt. Je nach Situation kommt etwa Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie zum Einsatz. Ziel ist es, die Ressourcen der Senioren gezielt zu fördern und sie Reha fähig zu machen. Besonders sind auch die Betreuungsassistenten auf der Station. Diese sind im Krankenhaus eher unüblich.

Wo liegt für dich als Pfleger der Unterschied?

Das variiert stark. Manche Patienten sind desorientiert. Sie wissen weder wo sie sich befinden, noch was vorgefallen ist oder warum sie hier sind. Einige sind weglaufgefährdet. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt. Meine integrative Ausbildung kommt mir dabei entgegen.

Was nervt dich denn so richtig?

Ich sag’s jetzt überspitzt: Meine Berufsgruppe ist ein Haufen voller Jammerlappen, die sich gern selbst bemitleiden (lacht). Viel Gemecker aber wenig Aktion

Bist du selbst aktiv?

Ja sehr. Ich engagiere mich bei ver.di, dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) und wirke in der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG) mit. Im DBfK war ich außerdem Gründungsmitglied der AG Junge Pflege Südwest.

Hast du uns ein Beispielprojekt?

Relativ aktuell ist das Situationspapier der AG Junge Pflege zur Praxisanleitung. Daran haben Menschen aus ganz Deutschland über ein Jahr lang gearbeitet – über Google Docs, Skype und persönliche Treffen. Wir haben recherchiert, wie es momentan läuft und was passieren müsste, damit es besser wird.

Was müsste passieren?

Im ersten Schritt brauchen wir mehr qualifizierte Praxisanleiter. Wichtig ist auch, dass die Praxisanleitung fest in den Dienstplan integriert ist. Pflegeschüler sollen nicht die fehlenden Fachkräfte ersetzten. Das geschieht leider oft. Sie erleben eher eine „Mach mal“-Lernkultur als eine gezielte Anleitung.

Macht sich euer Einsatz bemerkbar?

Ich finde schon. Veränderungen fangen immer klein an. Immerhin wird derzeit in Rheinland-Pfalz die erste Pflegekammer gegründet und das Thema Pflege rückt ins öffentliche Interesse. Jetzt ist es bei uns, die schönen Seiten des Berufs nach außen zu tragen. Wir gelten immer noch als „Handlanger des Arztes“ oder „Arschabwischer“.

Früher warst du Schauspieler. Ein harter Wechsel.

Die Pflege empfinde ich als kreativer als die Schauspielerei. Beim Theater hast du vorgegebene Texte, Bühnenbilder und einen Regisseur. Der verbleibende kreative Spielraum ist oft recht klein. Als Pfleger werde ich jeden Tag mit neuen Situationen konfrontiert, für die ich selbst Lösungen finden muss. Das macht mir Spaß.