Ich pflege: Alexandra Stahnke (21)

„Das Leben ist schön, auch mit Demenz“

Alexandra Stahnke mit ihrer Oma (Foto: privat)

Name: Alexandra Stahnke
Alter: 21 Jahre
Ort: Magdeburg
Beruf: Gesundheits- und Krankenpflegerin
Arbeitsumfeld: Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik; pflegt ihre Großmutter Zuhause
In der Pflege seit: 2012

Wie kamst du zur Pflege?

Durch meine Familie. Wir sind alle in der Branche tätig. Meine Mutter ist Fachkrankenschwester für außerklinische Beatmung in der Intensivpflege, betreut also 1:1. Mein Vater hat als Apothekenkurier gearbeitet. Er ist jetzt 63 und hat vor anderthalb Jahren aufgehört. Und ich bin Auszubildende zur Krankenpflegerin.

Hat deine Mutter schon gepflegt als du noch ein Kind warst?

Gelernt hat sie einst Baugeräteführerin kurz nach der Wende. Auf dem zweiten Bildungsweg hat sie 2002 die Ausbildung zur Krankenschwester gemacht. Damals war ich 8 Jahre alt. Durch das Schichtsystem und meinen Papa, der sich viel gekümmert hat, war die Vollzeitausbildung trotz Kind möglich.

Ihr kümmert euch gemeinsam um deine demenzkranke Oma. Wie kam es dazu?

Das ist eine lange Geschichte. Der Kontakt zwischen ihr und Oma brach kurz nach meiner Geburt ganz ab. Als ich 15 war, wollte ich meine Großmutter kennenlernen, hab sie gesucht und gefunden. Eine Zeit lang hab ich sie heimlich besucht. Damals war sie schon dement. Als es Oma schlechter ging, erzählte ich Mama davon.

Auch Alexandras Töchterchen hilft mit (Foto: privat)

Warum?

Ich wollte ihr die Möglichkeit geben, Oma noch einmal zu sehen. Sie fuhr mit mir hin. Oma erkannte sie nicht. Das hat meine Mutter sehr mitgenommen, sie saß weinend neben mir. In diesem Moment muss ein Knoten geplatzt sein. Nach einiger Zeit beschlossen Oma vorübergehend zu uns zu holen. Das ist heute fünf Jahre her.

Wie sieht euer Pflegealltag aus?

Oma hat Pflegestufe II. Meine Mutter arbeitet nachts, von 20 Uhr bis acht Uhr früh. Bevor sie zur Arbeit geht, macht sie Oma fertig. Das heißt, sie wäscht sie, zieht sie um, bereitet ihr Abendbrot vor und schickt sie zur Toilette. Das gleiche Spiel wiederholt sich, wenn Mama morgens heimkommt. In der Zwischenzeit oder wenn Mama tagsüber schläft, übernimmt mein Vater. Nachts schickt er Oma im Drei-Stunden-Takt zur Toilette.

Pflege bei der Arbeit, Pflege Zuhause. Ist das nicht eine Doppelbelastung?

Für mich nicht. Ich pflege Oma gern. Durch meine Arbeit kenne ich das Krankheitsbild. Was viele Angehörige belastet ist, dass ihre Lieben sie nicht mehr erkennen. Das ist bei Oma auch so. Sie kennt unsere Namen nicht, aber sie weiß, dass wir für sie da sind. Erinnerungen verblassen aber Emotionen bleiben bestehen.

Beim gemeinsamen Ostereierfärben (Foto: privat)

Du schreibst einen Facebook-Blog über euer Leben mit Demenz. Warum?

Ich will zeigen, dass Pflege auch schön sein kann. Wenn ich Oma morgens aus dem Bett hole, singt sie mir erstmal was vor und tanzt mit mir. Wie könnte ein Tag besser starten? Viele Angehörige sind verzweifelt. Ich möchte mit meinem Blog helfen, Ideen weitergeben und austauschen. Und Betroffenen Mut machen: Das Leben ist schön, auch mit Demenz.

Alexandra, danke für das Interview und alles Gute für euch!

Facebook: Trotz Demenz glücklich durchs Leben
Alexandra teilt Alltagseindrücke, Ideen und Erfahrungen aus ihrem Familienleben mit Demenz auf Facebook. Hilfreich, positiv und liebevoll. Für alle, die sich von der Krankheit nicht unterkriegen lassen wollen.