Unnötige Hürden für Demenzdorf

Wie Formalitäten ein Demenz-Stadtquartierprojekt auf Eis legen können

Ganz im Stil des Erfolgsmodells in den Niederlanden: So sollte das Stadtquartier für Demenz-Erkrankte in Alzey aussehen. Foto: Feddersen Architekten

Die Stadt ist dafür. Das Land ist ebenfalls begeistert. Und Pflegekräfte bewerben sich bereits zu Dutzenden schon während der frühen Planungsphase. Ein Stadtquartier für Demenz-Erkrankte ließ sich trotz allen Willens der Planer in der rheinhessischen Stadt Alzey bisher nicht realisieren. Warum? Bürokratie und eine seltsame Diskrepanz zwischen Ordnungs- und Leistungsrecht.

Die Idee: Geschütztes Stadtquartier für Menschen mit Demenz

Jan Bennewitz brennt für das Thema. Der gelernte Krankenpfleger hatte nach der Ausbildung Betriebswirtschaftslehre studiert und ist heute Berater für stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen. Gesetzliche Regelungen, die Windungen der Bürokratie und Politik schrecken ihn nicht ab. Er hat sich tief eingearbeitet in die vielschichtige Materie. Denn bei den ersten Versuchen, in Alzey ein Stadtviertel für Demenz-Erkrankte auf die Beine zu stellen, ist er auf einige Hürden gestoßen.

Bunt und individuell nach niederländischem Vorbild

Es soll aussehen wie das Muster aller Demenzdörfer in den Niederlanden: De Hogeweyk. Im rheinhessischen Alzey hatte Bennewitz im Sinn, das Stadtquartier nördlich vom Zentrum auf 18.000 qm mit Wohngemeinschaften für jeweils zehn Bewohner aufzubauen. Mit eigener Küche pro WG, drei Bädern und einem Wohn-Ess-Bereich. Insgesamt sollten zunächst zwölf WGs für 120 Personen entstehen.

„Wie allenthalben gefordert, wollen wir damit möglichst selbstständige Senioren erhalten.“

Hier können sie ihre Möbel und Sachen mitbringen und wie in einer Studenten-WG sollte ein buntes, aber nicht überfülltes, gemütliches Wohnambiente entstehen.

Mehr Selbstständigkeit in geschützter Umgebung

Die Senioren können in einem kleinen Laden einkaufen, in Gärten spazieren, entspannen und werken, in die Tagespflege gehen sowie Arzt- Physio- und Ergotherapie-Praxen besuchen.

Es ist ein ganz normales Stadtquartier, nur dass hier Demenzerkrankte geschützt leben und sich deshalb hier frei bewegen können. Foto: Feddersen Architekten

„Wie jedes Demenzdorf wollen wir damit möglichst selbstständige Senioren erhalten“, sagt Bennewitz. Studien wie MAKS belegten, wie gut die sogenannte „Normalität der Anregung“ bei alten und verwirrten Menschen viele Fähigkeiten erhalten.

Mix aus stationärer und ambulanter Pflege

„Doch die optimalen Gegebenheiten dafür sind meiner Meinung nach weder rein stationär, noch rein ambulant, sondern passen nicht in diese Raster“, sagt der Projekt-Initiator. Die Lösung liege für ihn in einer Mischung beider Systeme.

Bürokratische Herausforderung

Damit ergibt sich ein Problem: Das Leistungsrecht des Stadtquartiers bezieht sich auf die ambulante Pflege. Ordnungsrechtlich falle so ein Konzept unter eine sogenannte Experimentierklausel. Das hört sich nicht nur kompliziert an, sondern ist es auch. Vor allem hinsichtlich darauf, wer denn zahlt. Zudem sollte Bennewitz den Landkreis für die Idee gewinnen und hier stockte es, nachdem der Landrat seine Bedenken geäußert hatte.

 Auf Eis: Verschoben statt aufgehoben

Zudem hat der examinierte Krankenpfleger einen Investor zur Hand, der immer noch nicht abgesprungen ist, obwohl Bennewitz das Projekt auf Eis legte. „Zwölf Millionen Euro Gesamtinvestitionssumme sollten investiert werden und 80 bis 100 Arbeitsplätze geschaffen werden“, sagt der Berater aus Alzey und schüttelt den Kopf. Doch aufgeben sei nicht seine Art.

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