Ältere verlassen Kirche

Institution Kirche wird sich verändern aber nicht an Bedeutung verlieren

Ältere Menschen verlassen die Kirche. Das hat nicht nur finanzielle Gründe (Quelle: Fotolia)

Moderne Senioren kommen ohne die katholische Kirche klar. In vielen Bistümern hat sich die Zahl der austretenden Über-60-Jährigen im vergangenen Jahr verdoppelt. Ist dies ein Beleg dafür, wie wenig Bindung selbst die Älteren zu ihrer Kirche haben?

 Zahl der Austritte Älterer hat sich verdoppelt

Dass gerade die Zahl der Älteren, die dem Katholizismus den Rücken kehren, stark gestiegen ist, bestätigen elf von 27 deutschen Bistümern. Darunter die Bistümer von Aachen und Bamberg, Essen, Münster und Würzburg. Das recherchierte die Zeitung Rheinpfalz. Beispielsweise stieg im Erzbistum Hamburg die Zahl der Austritte in der Gruppe der über 60-Jährigen von 330 (2013) auf 886 im vergangenen Jahr. Ähnliche Zahlen vermeldet das Bistum Essen: Traten 2013 insgesamt 341 Senioren aus der katholischen Kirche aus, waren es 2014 bereits 764. Auch in Freiburg verdoppelte sich die Austrittszahl bei den Senioren.

Zwar erreichte 2014 die Zahl der Austritte aus der katholischen Kirche insgesamt eine Rekordzahl von 217.716. Das ist ein Fünftel mehr als im Jahr davor. Doch war das Austrittsniveau bei den Betagten bisher gleichbleibend niedrig. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, bezeichnete die Entwicklung gegenüber der Zeit als „schmerzlich“. Dahinter stünden „persönliche Lebensentscheidungen, die wir in jedem einzelnen Fall zutiefst bedauern, aber auch als freie Entscheidung respektieren.“

Mehr Steuerabgaben treiben Senioren aus der Kirche

Ein Grund für den Austritt könnte darin bestehen, dass Banken die Kirchensteuer, die auf Kapitalerträge fällig wird, seit 2015 direkt an die Finanzämter weiterleiten. Die Steuer war zwar bis Dato auch fällig, nur haben viele Bürger diese nicht bezahlt. Wenn die Banken die Steuer jetzt direkt abziehen, tut das vielen Rentnern empfindlich weh. Mehr zur neuen Regelung lesen Sie bei der FAZ.

Für viele Senioren scheinen die paar Hundert Euro im Jahr ein Grund dafür zu ein, die Kirche zu verlassen. Eine Institution, von der man sich gerade im Alter etwas verspricht. Von Seelsorge über Trost und Beichte, bis hin zur eigenen Beerdigung. Die Bindung an ihre Kirche war bisher bei den Älteren „in der Tat durchschnittlich stärker als bei den jüngeren“, so der Münsteraner Kultur- und Religionssoziologe Detlef Pollack gegenüber der RP.

Die Kirche im Wandel, Rituale weiterhin gefragt

Religionswissenschaftler sprechen von einem grundlegenden Umbruch: Beerdigungen, Pflegeheime, Geburts- und Hochzeitsrituale werden nach wie vor gefragt sein. Dann aber ohne Mitgliedschaft. Kirchenzugehörigkeit ist kein Schicksal. Diese Einsicht kommt mehr und mehr auch bei den Älteren an. Heutzutage steht vor allem die Wahl des Einzelnen im Vordergrund. Die große Zahl der Kirchenaustritte sehen viele Experten auch als Folge vom Verhalten einer Kirche, sich zu lange zu wenig um Bindungsanreize gekümmert zu haben. Spannend für die Gegenwart ist zudem: Die christlichen Kirchen werden nach zwar deutlich kleiner und sich somit laut Zulehner wieder „dem biblischen Normalfall annähern“. Aber sie werden nicht an gesellschaftlicher Bedeutung verlieren. Die Kirche könne dann eine Art moralische Wächterrolle einnehmen, wie auf anderen Gebieten heute etwa Amnesty International oder auch Greenpeace. Was zählen wird, ist die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Person an der Spitze. Papst Franziskus wird eine solche Wirkung und ein solcher Einfluss zugetraut.

Eine andere bemerkenswerte Folge dürfte sein: Unter den noch verbliebenen Kirchenmitgliedern wird es „anteilsmäßig mehr gläubige Christinnen und Christen geben“.