Schüchtern. Na und?

Wie Introvertierte die richtige Rolle finden

In der Dienstbesprechung wird heiß diskutiert, nur Sie kriegen den Mund nicht auf? Wer erfolgreich pflegt muss keine Rampensau sein. Aber die eigenen Interessen mutig vertreten können. Sonst geht man schnell zwischen den Platzhirschen unter. Wie sich Schüchterne im Arbeitsalltag Gehör verschaffen.

Stefan Rihl unterstützt Schüchterne, ihre Interessen im Arbeitsalltag besser durchzusetzen. (Foto: Privat)

„Ich kenne viele Menschen, die wie ich selbst sehr introvertierte Typen sind. Aber in einer Rolle kann ich auf der Bühne sehr aus mir herausgehen“, weiß Stefan Rihl, der seit Kurzem ein Seminar für Schüchterne anbietet. Als Schüler und in der Studentenzeit habe er Panik vor den Referaten und Präsentationen gehabt, manchmal nächtelang nicht geschlafen.

Schüchtern, aber sicher in der richtigen Rolle

Dabei gehe es seiner Meinung nach vor allem darum, eine Rolle zu finden, in der sich zurückhaltende Altenpfleger, Pflegedienstleiter und Pflegehilfskräfte nicht verstellen müssen. Denn jeder habe mehrere Facetten in seiner Persönlichkeit, die nur ans Tageslicht müssen. „Es ist wichtig, sich einmal von außen zu analysieren und mit dem Schauspiel mehr Kontrolle über das eigene Verhalten zu bekommen“, sagt der Theaterpädagoge.

Rhetoriktrainer Peter Flume weiß ebenfalls, dass die Stimmen der Einrichtungsmitarbeiter im Pflegealltag zählen. „Im modernen Arbeitsleben geht es ohne Kommunikation und Gespräche gar nicht mehr“, sagt der Trainer. Menschen, die ein Problem damit haben, in einem Meeting zu argumentieren rät er, sich vor allem gut auf die Situation vorzubereiten.

Peter Flume gibt Rhetorikseminare für Schüchterne. (Foto: Privat)

„Letztlich laufen Meetings und Aussprachen oft nach dem gleichen Schema ab, es geht darum sich einen Fahrplan zurecht zu legen, an den wir uns halten können“, sagt Flume. Einen solchen Leitfaden entwickelt er mit Schüchternen in seinen Trainings. Er rät introvertierten Pflegern, zu kurzfristig angesetzte Termine notfalls zu verschieben, um den Stressfaktor nicht unnötig zu erhöhen. „Wer unvorbereitet in eine angstmachende Veranstaltung gerät, lässt sich von der Panik kontrollieren, statt souverän zu argumentieren“, weiß der Kommunikationsexperte.

Eine Rolle wie eine Regenjacke

Auch Schauspielexperte Rihl rät zum sicheren und stabilen Vorgehen. „Wir entwickeln in meinen Veranstaltungen gemeinsam eine Rolle, die uns vor Angriffen von außen schützt. Innerhalb derer wir freier agieren können, die wir aber trotzdem mit unserer Persönlichkeit vereinbaren können“, erläutert Rihl sein Konzept. Im zweitätigen Seminar schärft der Schauspieler zunächst das Bewusstsein für Inszenierung und macht den Teilnehmern klar, wie sie wirken wenn sie sprechen. Am zweiten Tag geht es mit Rollenspielen und Übungen in die Praxis. Einen Tipp gibt er introvertierten Pflegekräften: „Machen Sie sich Ihre Stärken klar und spielen diese klar aus. Beispielsweise, dass Sie sehr strukturiert sind, einen guten Draht zu den Bewohnern haben oder lange Berufserfahrung haben.“ Rihl und Flume wollen aus ihren Teilnehmern keine anderen Menschen machen, sondern eine Methodik entwickeln, die Energie der Introvertierten nach außen zu lenken, statt nach innen.