Generalistik: Altenpflege braucht kein Mensch…

Pfleger-Kommentar zur Ausbildungsreform

Generalistik, nein danke? Doch, sagt Christian Hübner (Foto: Fotolia)

…dieser Eindruck könnte jedenfalls entstehen, wenn man die Debatte um die geplante generalistische Pflegeausbildung verfolgt. Insbesondere auf Seiten der Altenpflege scheinen große Vorbehalte und Ängste zu bestehen.

Doch sind sie wirklich berechtigt? Wird die Altenpflege durch eine Reform der Ausbildung abgewertet oder gar abgeschafft? Und führt die Generalistik am Ende zu einem noch größeren Mangel an Fachkräften?

Dreigeteilte Ausbildung nur in Deutschland

Vergleichen wir die Pflege-Situation in Deutschland mit anderen Ländern, fällt eines ins Auge: Drei unterschiedliche Pflegeberufe wie bei uns (Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und Altenpflege), sind weltweit einzigartig.

Setzt sich politisch für die Pflege ein: Christian Hübner (Foto: privat)

Trotzdem hat sich die Situation in allen Bereichen verschärft. Trotzdem wird sie es weiter tun.

Dass „Aus Drei mach Eins“ funktionieren kann, zeigen andere Nationen und erste integrative Ansätze in Deutschland. Ein durchdachter Lehrplan kann die Inhalte der separierten Ausbildungen sehr wohl zielführend verknüpfen.

Den Menschen als Ganzes betrachten

Denn beim Versorgen pflegebedürftiger Menschen – egal ob im Krankenhaus oder im Seniorenheim – steht der ganzheitliche Ansatz im Vordergrund. Pflegesituationen werden in allen Settings komplexer. Anforderungen an die Berufsgruppe Pflege und besonders an die einzelne Kraft steigen immer weiter.

Mehr Kenntnisse erforderlich

So gewinnen dank demographischer Entwicklung etwa Themen wie Demenz im Krankenhaus an Bedeutung.

Umgekehrt ist die Altenpflege mit neuen Krankheitsbildern und multimorbiden Bewohnern konfrontiert. Mehr medizinisches Wissen ist unumgänglich.

Und unter dem Aspekt steigender Lebenserwartung von Patienten mit Krankheiten wie Mukoviszidose, macht auch die Zusammenführung mit der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege definitiv Sinn.

Fortbilden als Pflicht der Pflegenden

Außerdem: Auch heute ist es für keinen Absolventen der bestehenden Pflegeausbildung möglich, übergangslos in ein spezifisches Handlungsfeld einzusteigen. Er muss immer zielgerichtet eingearbeitet werden und bereichsspezifische Fortbildungen besuchen. Sich gegebenenfalls später spezialisieren. An dieser Stelle möchte ich auf den ICN-Ethikkodex für Pflegende verweisen. Er stellt die selbstverständliche Grundlage unseres täglichen Handelns als professionell Pflegende dar und verpflichtet uns, uns kontinuierlich fortzubilden.

Das geht doch heute schon

Christina Berghoff: „Wir brauchen ganzheitliche Hilfsangebote“ (Foto: privat)

Schon heute arbeiten Altenpfleger im Krankenhaus oder Krankenpfleger in Senioreneinrichtungen. Das ist möglich, weil sich vieles in den Ausbildungen überschneidet. Unterschiedliche Ausrichtungen machen es dagegen unnötig schwer.

  • Warum also nicht Nägel mit Köpfen machen und sich gegenseitig ergänzende Kompetenzen bereits in der Ausbildung miteinander verbinden?
  • Warum nicht eine breite Grundlage an pflegerischem Wissen schaffen, die hinterher den Einstieg in einzelne Handlungsfelder erleichtert?

Keine Angst vor mangelndem Interesse

Auch mit der Generalistik werden Auszubildende unterschiedliche Interessen haben. Es wird weiterhin Pflegekräfte geben, die sich für die Arbeit in Pflegeheimen entscheiden. Ebenso wie es Pflegekräfte geben wird, die ihre Zukunft im Krankenhaus suchen.

Generalistik: Mehr Verständnis, mehr Einheit, mehr Möglichkeiten

Die Generalistik bietet die Gelegenheit, uns gegenseitig besser zu verstehen. Die Durchlässigkeit zwischen den Bereichen voranzutreiben und unterschiedliche Anforderungen greifbar zu machen. Sie bietet uns die Möglichkeit, Patienten und Bewohner ganzheitlich zu betrachten, mit Rücksicht auf die gesamte Lebensspanne. Sie sorgt endlich für einheitliche Zugangsvoraussetzungen für Pflege-Azubis.

Generalistik, das heißt mehr Fachlichkeit und Professionalität in allen pflegerischen Bereichen. Wir bekommen die Chance, Gräben zu schließen und die Pflege als Berufsgruppe zu einen.

Eigene Erfahrungen zum generalistischen Ansatz

Bevor jetzt die Frage aufkommt, woher der Autor seine Meinung nimmt:

Ich selbst bin integrativ nach dem Stuttgarter Modell® ausgebildet und habe in 3,5 Jahren beide Examina als Gesundheits- und Krankenpfleger und Altenpfleger erworben. Die Ausbildung war und ist an dem orientiert, was von einer zukünftigen generalistischen Pflegeausbildung zu erwarten ist.

Elemente aus allen drei Pflegeberufen bilden die theoretischen und praktischen Säulen. Neben Einsätzen im Krankenhaus hatte ich auch mehrere Praxisphasen in Altenpflegeeinrichtungen. Auch ein Einsatz in der Kinderkrankenpflege gehörte zum Lehrplan.

„Eine generalistische Ausbildung macht Sinn.“

Aktuell arbeite ich auf einer Station für Nephrologie und allgemeine innere Medizin. Dort erlebe ich jeden Tag, welche Vorteile sich aus der Verknüpfung der Inhalte für mich persönlich, aber auch für Patienten und deren Angehörige ergeben.

Erfahrungsberichte zahlreicher Kolleginnen und Kollegen, die vor, mit und nach mir die integrative Pflegeausbildung absolviert haben, bestärken mich in meiner Meinung.

Eine generalistische Ausbildung macht Sinn. Würden wir uns sachlicher mit der Thematik auseinandersetzen, täte das nicht nur der Diskussion, sondern dem gesamten Berufsstand gut. Denn der Erfolg einer generalistischen Pflegeausbildung hängt nicht zuletzt davon ab, wie konsequent sie am Ende umgesetzt wird.