Aus der Pflege in die Pflege

So kann ein beruflicher Neuanfang nach dem „Pflexit“ aussehen

Der Autor im Praxistest: Birgit Roth demonstriert die Arbeit mit Demenzpuppen. (Foto: Privat)

Birgit Roth ist gelernte Krankenschwester. Heute verkauft die 57-Jährige Demenz-Puppen und Juwelensteine – und ist voll in Ihrem Element.

Sie waren lange Zeit als Pflegerin beschäftigt, heute arbeiten Sie als Fachberaterin für Pflegeprodukte bei Dusyma. Wie kam es dazu?

Als gelernte Krankenschwester war ich insgesamt 24 Jahre in der Pflege tätig. Aber nach meinem dritten Bandscheibenvorfall war klar: So geht es nicht weiter. In diesem Beruf habe ich keine Zukunft mehr.

Wie sind Sie dann zum Spielwaren-Hersteller gekommen?

Das war im Grunde ein glücklicher Zufall. Über die Online-Plattform Xing bin ich an verschiedene Unternehmen herangetreten. Das waren ganz unterschiedliche Firmen. Meistens Dienstleitungsanbieter, die etwas Handfestes herstellen. Wie Möbel, Toner oder eben SpieIwaren. Ich möchte etwas verkaufen, das ich in der Hand halten kann. Als ich mit dem Geschäftsführer von Dusyma, Volker Blum, telefoniert habe, hat mir die Stimme gefallen. Die Chemie hat gleich gestimmt.

Ihre berufliche Qualifikation war für die Einstellung nicht relevant?

Nein, dass ich gelernte Krankenschwester bin, hab ich erst später erzählt. Da habe ich bereits im Unternehmen gearbeitet.

War der berufliche Neuanfang eine große Umstellung für Sie?

Ich wollte unbedingt weiter mit Menschen arbeiten. Mir war immer klar: Ohne menschlichen Kontakt gehe ich ein wie ein Mauerblümchen. Als Fachberaterin im Außendienst gehe ich in die Einrichtungen und bin im ständigen Austausch mit den Kunden.

Sie sind also in die Pflege zurückgekehrt?

In gewisser Weise. Ich bin in Seniorenheimen, auf Sozialstationen, in psychiatrischen Einrichtungen, der mobilen Pflege, in der Orthopädie und in Reha-Zentren unterwegs. Dort stelle ich meine Präsentation für aktivierende Spiele vor. In einer einstündigen Testphase können die Betreuungskräfte die Produkte dann ausprobieren. Und die Teilnehmer merken natürlich: „Die Frau Roth, die kommt vom Fach.“ Ich kann mich auf Augenhöhe unterhalten, ob das nun Sozial – Ergo-Physiotherapeuten, Heimleitung oder der Chefarzt ist.

Das klingt alles ganz schön zeitaufwendig…

Ja, ich bin viel auf Achse. 80.000 km kommen im Jahr schon zusammen. Ein acht Stunden Tag ist häufig nicht möglich. Oft bin ich am Tag 12 bis 14 Stunden unterwegs.

Wie entspannen Sie bei so wenig Freizeit?

Zum Ausgleich gehe ich Schwimmen oder Rad fahren. Ich bin gerne in der Natur unterwegs und genieße bewusst die kleinen Momente. Ein schönes Naturspektakel, wie ein Sonnenuntergang auf der Autobahn, ist für mich ein Mini-Urlaub.

Was ist in Ihrem Beruf wichtig?

Improvisationstalent! Es kann vorkommen, dass ich plötzlich auf mich allein gestellt bin. Wenn die Sozial-oder Beschäftigungstherapeutin trotz Termin im Urlaub ist und kein Ansprechpartner existiert, muss ich flexibel sein. Außerdem darf ich keine Angst vor dem Telefon haben. Berührungsängste kenne ich ohnehin nicht, auch nicht im Alltag. Ich gehe auf meine Mitmenschen zu, habe immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Das lockt Menschen aus der Reserve. Ich öffne gerne Herzen.

Was ist Ihr Geheimrezept für den erfolgreichen Einstieg in ein neues Berufsfeld?

Ich besuche regelmäßig Verkaufsfortbildungen, auch wenn ich diese selbst bezahle. Ich will Wissen weitergeben. Der Verkauf ist natürlich wichtig, aber nicht vordergründig. Mein Motto ist „Verkaufen, aber ohne Druck“. Oft bin ich nicht bloß Verkäuferin, sondern auch Coach. Ich versuche den Menschen zu vermitteln, dass sie die Lösung für Probleme im Arbeitsalltag in sich selbst finden können. Meistens wissen wir selbst am besten, was wir zu tun haben. Wir wollen es vielleicht nicht wahrhaben oder das Problem nicht angehen. Aber die Lösung ist immer da.