Care Slam: Gemeinsam für Ideale einstehen

Yvonne Falckner bietet der Pflege eine Bühne

Die Teilnehmer des zweiten Care Slams in Berlin tanzen zu den rockigen Klängen der Inklusionsband Handiclapped. (Foto: Thorsten Strasas)

Kerstin Vietze ist sichtlich aufgeregt. Die gelernte Altenpflegerin steht heute das erste Mal auf der Bühne. Ihren Text festumklammert, tritt sie ans Mikrofon. Rhythmisch trägt sie vor:

Wie der Wind

ganz geschwind

pflege ich Klienten, Patienten, Bewohner und Gäste

an mich selbst denk ich erst als letzte …

Gemeinsam gegen die Resignation

Nach ihrem Auftritt wirkt die 43-Jährige wie befreit und strahlt über das ganze Gesicht. „Mein Text trägt den Titel ‚Oh ja – mein saugend Helfersyndrom‘“, erzählt die frischgebackene Slammerin, „er handelt von dem Vorurteil, dass alle Pflegekräfte ein riesiges Helfersyndrom haben. Die Bevölkerung muss lernen, uns nicht bloß als Helfer, sondern als Fachexperten anzuerkennen.“ Sie arbeitet seit 20 Jahren in der Pflege – und ist immer noch mit Herzblut dabei: „Ich bin nie abgestumpft. Hier beim Care Slam kann ich sagen, was mich bewegt. Und werde verstanden. Ich stehe mit meinen Idealen nicht alleine da“.

Fünf Slammer für die Pflege

Beim zweiten Care Slam am 9. Januar in Berlin traten neben Kerstin Vietze vier weitere Pflegekräfte auf. In ihren eigenen Worten beleuchteten die Slammer verschiedene Bereiche der Pflege. Die Fünf schimpften über die Absurditäten des Arbeitsalltags, amüsierten sich über Begegnungen mit Bewohnern und Patienten und freuten sich über die schönen Momente auf den Stationen. So berichtete Krankenschwester Diana Leisering über ihre Arbeit mit geistig- und körperbehinderten Menschen, während Michael Thomsen, Fachkrankenpfleger aus Osnabrück, über „Pflege als Teamaufgabe – Pflege planen nach dem mäeutischen Modell!“ fachsimpelte. Claudia Hanke, Kinderkrankenschwester und Intensivpflegefachkraft aus Berlin, fragte nach der dümmsten Berufsgruppe und Pflegemanagerin Marika Lazar aus Brandenburg sorgte mit ihrem Text „Kranke Schwester geht in die Politik“ für Lacher.

Bewusstsein schaffen

Bei den 20 Gästen kamen die Beiträge gut an. Die Stimmung in der Studiobühne Alte Feuerwache war ruhig, aber ausgelassen. Im Publikum honorierten sowohl Pflegekräfte als auch Nicht-Pflegekräfte den Wortwitz der Vortragenden. Veranstalterin Yvonne Falckner sieht gerade darin das Potential des Formats: „Ich habe den Care Slam ins Leben gerufen, damit die Pflege in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Es müssen neue Kommunikationswege etabliert werden.“

Empathische Geschichtensammler und knallharte Analytiker

Falckner ordnet den Care Slam zwischen Poetry Slam und Science Slam ein. Poetry Slams sind Dichterwettstreite, in denen Wortakrobaten um die Gunst des Publikums buhlen. Science Slams sind eine Abwandlung des Poetry Slams, bei denen Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse in populärwissenschaftlicher Sprache vorstellen. „Pflegekräfte sind empathische Geschichtensammler und knallharte Analytiker. Ihre Geschichten und Analysen werden benötigt, um die Zustände innerhalb der Pflege zu verbessern“, erklärt Falckner.

Care Slam bricht das Schweigen

Gemeinsam mit Co-Moderator und Schirmherr Michael Bossle führte Falckner die Zuhörer durch den Abend. Die gelernte Krankenschwester legt Wert darauf, dass beim Care Slam der Fokus auf Care liegt, also auf Pflege, nicht auf Wettstreit. „Es geht darum der Pflege eine Bühne zu bieten. Ihr eine Stimme zu verleihen. Wir haben zu lange geschwiegen“, findet die 40-Jährige. Für dieses Jahr plant sie drei weitere Care Slams. Die Registrierungsstelle beruflich Pflegender hat den Care Slam als Bildungsveranstaltung anerkannt. Zuschauer aus der Pflege können sich also für den Besuch von Care Slams Fortbildungspunkte gutschreiben lassen.

Inklusion rockt

Wenn Handiclapped zum Tanz aufspielt, ist diese Phrase wörtlich nehmen. Das Konzert der Inklusionsband bildete den Abschluss des Abends. Kerstin Vietze zeigt sich begeistert: „Alle Teilnehmer und Beiträge waren so individuell und verschieden. Aber ich habe echten Zusammenhalt gespürt. So beginnt Veränderung.“

Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerat wird den nächsten Care Slam am 2. April mit einem Impuls über „Aktuelles aus der Pflege“ unterstützen. Es werden weitere Teilnehmer gesucht. Interessierte können sich mit ihren Beiträgen unter yvonne.falckner@gmx.de melden.