Pflege in Ägypten

Dr. Emad und sein Wunsch nach mehr Ordnung

Magdalene Seiler ist Pflegeleiterin in einem kleinen Krankenhaus in Naqada. (Foto: Easysoft)

Alles ist anders, findet Magdalene Seiler. Als Pflegeleiterin ist sie an einer Klinik in Oberägypten auch für die Ausbildung der Pflegekräfte verantwortlich.

„Ägypten ist ein intensives, schnelllebiges Land“, erzählt Magdalene Seiler, und damit ganz anders als Deutschland. Die ausgebildete Krankenschwester hat sieben Jahre in der Intensivmedizin in Pforzheim gearbeitet. Die Spezialgeräte wurden regelmäßig überprüft, nur von eingelerntem Personal genutzt und selbstverständlich nur mit Originalteilen repariert. Seit 2008 ist sie „Head Nurse“ in einer Privatklinik bei Luxor. In Oberägypten ticken die Uhren anders und die außerordentliche Improvisationsfähigkeit der Menschen ist gefragt. „Es funktioniert vielleicht nicht reibungslos, aber es funktioniert“, so die gebürtige Brettenerin.

Etwa 40 Kilometer nördlich von Luxor liegt die kleine Stadt Naqada. Das Krankenhaus dort existiert seit 2007. Direktor Dr. Emad Soliman baute die Privatklinik zusammen mit dem Verein Services along the Nile. Neben 25 interdisziplinären Betten gibt es noch weitere sechs Plätze in der Kinder-Intensivstation. Rund 12000 Patienten werden in dem Krankenhaus jährlich behandelt. Derzeit sind 15 Zusatzbetten im neuen Gebäude geplant.

Schnelle Hilfe statt Langzeittherapie

Die Klinik in Naqada: Patienten erwarten häufig schnelle Lösungen statt aufwendiger Therapie. (Foto: Easysoft)

In der ländlichen Gegend erwarten die Patienten schnelle Hilfe und sind an Langzeittherapien kaum interessiert. Lieber hören sie auf jemand, der eine schnelle Lösung verspricht – medizinisch gerechtfertigt oder nicht. Grund dafür ist oft die prekäre Arbeitssituation der Patienten. Nicht einfach für ein Krankenhaus, dass fundiert arbeitet und keine Spontanheilungen verspricht. Auch der Zusammenhalt der Familien ist anders – mit Folgen für die Klinik. Beispielsweise ist es üblich, dass Patienten mit einem Familienmitglied ins Krankenhaus kommen, die übernehmen dann einen Teil der Pflege. Einige setzen sogar die intravenöse Antibiotika- oder intramuskulär Behandlung zu Hause fort, um Geld zu sparen. Wer Vor- und Nachteile bewertet, verheddert sich in Ägypten schnell im Alltag. „Es ist einfach anders“, sagte die pragmatische Krankenschwester, es gehe darum, wie man die jeweilige Situation schrittweise verbessern kann.

Ausbildung in Ägypten

Beispielsweise die Ausbildung von Krankenschwestern. Eine dreijährige Ausbildung ist in Ägypten undenkbar. Vor allem junge Frauen verlassen ihre Ausbildung oder ihren Arbeitsplatz über Nacht, wenn sie heiraten können. Als das Krankenhaus eröffnet wurde, bestand das Personal aus Frauen, die vielleicht Blutdruck messen konnten, aber kaum medizinische Kenntnisse besaßen. Deshalb dachten die Gründer des Krankenhauses schon lange über eine bessere Ausbildung nach.

In drei Monaten Krankenschwester

Inzwischen ist der Arzt Dr. Eshak Asaad für ein kleines Bildungszentrum verantwortlich. Die meisten der 27 Klink-Krankenschwestern haben ein dreimonatiges Training durchlaufen, das es seit April 2013 gibt. Während der ersten sechs Wochen werden theoretische Kenntnisse unterrichtet: Physiologie und Pathophysiologie von oft vorkommenden Krankheitsbilder wie Herzkreislauf, Verdauungsapparat oder Lungenkrankheiten. In dieser Zeit schnuppern die Teilnehmerinnen an zwei Vormittagen pro Woche in den Klinikbetrieb. Dann folgen sechs Wochen Praktikum. „Wir haben damit zumindest eine Basis, auf der wir aufbauen können“, sagt der engagierte Arzt. Einige lernen in der Praxis schnell dazu, schreiben bald eigenständig ein EKG oder lösen nach einem halben Jahr bereits die Schicht ab.

Mitarbeiterentwicklung und Weiterbildungschancen

Dr. Emad Soliman will seine Angestellten besser qualifizieren. (Foto: Easysoft)

Es sind viele kleine Schritte notwendig, um die medizinische Qualität der Klinik zu verbessern. Im Trainingscenter werden auch Englisch- und Computerkurse angeboten sowie Soft-Skill-Trainings und Bildungskurse für Erzieherinnen. „Wir wollen die Mitarbeiter weiterentwickeln“, sagt Emad, „deshalb müssen wir feststellen, welche Kurse sie abgeschlossen haben und welche weiteren Interessen vorhanden sind.“ Genau an diesem Punkt kann der IT-Dienstleister Easysoft mit seiner Software für Seminarorganisation und Personalentwicklung effizientere Prozesse unterstützen und bietet einen Überblick über die Fähigkeiten des Pflegepersonals. Die ist nun installiert – in englischer Sprache und mit einer Verbindung zur arabischen Website. „Das Projekt war schon eine besondere Herausforderung“, sagt Easysoft-Vertriebschef Friedhelm Seiler. Auf mittlere Sicht erhalten die höher qualifizierten Fachpflegekräfte ein höheres Gehalt, das sie zu einer regelmäßigen Weiterbildung motivieren soll.

Digitalisierung in Naqada

Die Ideen in Naqada gehen über das Personalwesen hinaus. Derzeit werden beispielsweise die 12000 Patienten noch auf Papier geführt – nicht schnell zugänglich, teilweise auch schlecht lesbar, erhöht sich automatisch die Fehlerquote. Außerdem ist es für das Krankenhausmanagement schwierig, medizinische Geräte sowie Zubehör zu verfolgen und in Ordnung zu halten. Es kann vorkommen, dass ein defektes Gerät in Kairo repariert werden sollte, tatsächlich aber noch immer in einer Ecke steht, weil ein Mitarbeiter es vergessen hat. „Es gibt viele Möglichkeiten mit dieser Software“, sagt Magdalene Seiler, „der Wunsch nach mehr Ordnung ist sehr groß in der Klinik von Dr. Emad Soliman“.


Jens Gieseler ist Kommunikationsberater, Journalist und Heilpraktiker für Psychotherapie. In den letzten beiden Lebensjahren war sein Vater pflegebedürftig. Deshalb hat er sich mit der Pflegebürokratie herumschlagen müssen und viel Sensibilität für das Altern und Sterben entwickelt. Erkenntnis: Beziehungen werden immer wichtiger.