Buchtipp: Bohnerwachs und Kaffeeduft

14 Vorlesegeschichten für anspruchsvollere Betreuung

Das Coverbild von Bohnerwachs und Kaffeeduft. (Bild: Karin Biela)

Dienstag tanzen, Donnerstag Bingo spielen, Sonntag in die Messe gehen: Karin Biela will mit ihrem „Demenz-Lese-Foto-und Arbeitsbuch“ den Alltagstrott durchbrechen und mehr Kreativität in Pflegeeinrichtungen bringen.

Die Gerüche von frischgemahlenen Kaffee und Bohnerwachs vermittelt Karin Biela etwa in der Titelgeschichte in bildhafter Sprache. Die Geschäftsführerin des Betreuungsdienstes Chiron Care erinnert sich an die eigene Großmutter, die in den 1960er Jahren ganz ohne technische Helferlein den Haushalt schmiss und noch mit Hand den Kaffee mahlte.

Geschichten mit persönlicher Note

Bohnerwachs und Kaffeeduft“ ist das Erstlingswerk der 56-Jährigen und erschien 2015 im Telescope-Verlag. Auf 110 Seiten präsentiert sie 14 Vorlesegeschichten, bunte Bilder und jede Menge Tipps und Tricks zum Umgang mit dementen Menschen. Ihre Geschichten sind größtenteils direkt durch ihre Erfahrungen entstanden. Nicht jedem Leser wird diese persönliche Note gefallen, aber die Texte wirken echt und aus dem Leben gegriffen.

Kreative Geschichten, die für Gesprächsstoff sorgen

Die Autorin mit ihrem Erstlingswerk. (Foto: Karin Biela)

Wahre Begebenheiten und traumähnliche Sequenzen mischen sich oft in den Erzählungen der Westfälin: So entführt die gelernte Bürokauffrau und Betreuungsassistentin die Leser während eines Rügen-Reisebericht unerwartet ins viktorianische Zeitalter. Inklusive Dampfloks und Reifröcke. „Die kleine Eisdiele in unserer Straße“ wiederum lädt ins Ruhrgebiet der 1950er Jahre ein. Der kulturelle Einfluss von italienischen Gastarbeitern bietet dabei Aufhänger zur Auseinandersetzung über Migration heute. „Vielleicht überraschend, aber viele alte Menschen folgen der Berichterstattung sehr genau“, berichtet Biela, „sie freuen sich, wenn jemand nach ihrer Meinung fragt und mit ihnen diskutiert.

Bunte Bilder laden zum Erinnern ein

Insgesamt umfasst „Bohnerwachs und Kaffeeduft“ somit ein buntes Potpourri aus humorvollen, nachdenklichen und märchenhaften Kurzgeschichten. Fast alle haben direkten Bezug zum Leben und orientieren sich an der Erfahrungswelt älterer Menschen und laden sie ein, sich an ihre Kindheit und Jugend zu erinnern. Bunte Bilder begleiten die Geschichten und bringen das Gedächtnis auf Touren. Die passenden Motive hat die Hobbyfotografin fast alle selbst gemacht. „Für ein Borgwardt Isabella-Foto bin ich auf eine Oldtimer-Messe in Sachsen gefahren“, erzählt Biela lachend, „extra damit auch Männer mit Demenz etwas zum Anschauen haben.“

Kein Kinderbuch, sondern „Demenz-Lese-Arbeitsbuch“

Im Gegensatz zu vielen Demenzbüchern auf dem Markt, verzichtet Biela in „Bohnerwachs und Kaffeeduft“ auf vereinfachende Sprache. „Demente verstehen mehr als einen Satz“, erklärt sie kämpferisch, „sie wollen in ihrer Persönlichkeit und Komplexität wahrgenommen werden. Wir müssen sie nicht wie Kinder behandeln.“
„Bohnerwachs und Kaffeeduft“ will ohnehin mehr sein als bloß Demenz-Lesebuch. „Mein Buch soll Betreuungskräfte ermutigen, individuellen Zugang zu ihren Schützlingen zu finden“, erläutert die Autorin, „auf kreative und unkonventionelle Art.“ Deshalb folgen auf jede Geschichte:

  •  weiterführende Informationen (gelb): Fakten und Hintergrundwissen zu den einzelnen Geschichten.
  • Aktivierung (rot):  Aktivierungsmaßnahmen, die zur vorgelesenen Geschichte passen. Angehörigen liefern die kleinen Texte außerdem nützliche Informationen zum Umgang mit dementen Menschen – ohne viel „Fachsprech“.
  • Tipps (grün): Anlehnend an den Inhalt der Geschichte empfiehlt Biela Aktivitäten für eine abwechslungsreiche Betreuung, wie den Ausflug zum Seifenkistenrennen, eine Sinnesreise oder die Verlosung eines Auto-Quartetts.

Viel Herzblut und praxisnahe Hilfen

„Bohnerwachs und Kaffeeduft“ auf der Leipziger Buchmesse. (Foto: Telescope Verlag)

„Bohnerwachs und Kaffeeduft“ bietet Betreuungskräften und pflegenden Angehörigen mehr als nur Vorlesematerial, um langweilige Stunden zu überbrücken. Manche der Anmerkungen geraten allerdings lang. Der Aufbau des Buches wirkt dadurch trotz der Farbcodierung etwas unübersichtlich. Es ist schade, dass dem Buch ein einheitliches Layout fehlt: So gibt es keine klare Bildsprache und das Design ändert sich teilweise von Seite zu Seite. Die Tipps und Tricks bieten zwar gerade unerfahrenen Demenzbetreuern praxisnahe Hilfen, allerdings macht die rote und neongrüne Schrift auf weißem Hintergrund das Lesen anstrengend.
Trotz dieser Mängel spüren Leser, wieviel Herzblut in Bielas Erstlingswerk steckt. Wer sich von Aufmachung und Preis (24,99 Euro) nicht abschrecken lässt, dem bietet „Bohnerwachs und Kaffeeduft“ Material für viele unterhaltsame Stunden mit dementen Schützlingen.

Über die Autorin

Karin Biela (Foto: Privat)

Karin Biela ist seit 2008 in der Pflege tätig. Zuvor vertrieb die gelernte Bürokauffrau 20 Jahre Halbleiter für Siemens. Nach ihrem Wechsel in die Pflege absolvierte die 56-Jährige die Ausbildung zur Betreuungsassistentin, Pflegehelferin sowie Hospizbegleiterin. 2011 gründete die Hobbyfotografin ihren eigenen Betreuungsdienst Chiron Care. Nebenher arbeitet sie als Dozentin beim Deutschen Erwachsenenbildungswerk und bildet Betreuungsassistenten aus. Ihr Erstlingswerk „Bohnerwachs und Kaffeeduft“ erschien 2015 im Telescope-Verlag.