Grenzenlos: Theater und Kunst verbinden

Jugendliche Flüchtlinge und Senioren teilen gemeinsame Erfahrungen

„Die Tür“ heißt das Theaterstück, das Inge Bachmann (Mitte) und die Migranten-Kids im Rahmen des Theater-und Kunstprojekts Grenzenlos gemeinsam entwickelt haben (Foto: WGfS)

Die Wohngemeinschaft für Senioren (WGfS) und die Gotthard-Müller-Schule luden zu einem ganz besonderen Abend in die Filharmonie in Bernhausen: Mit einer Vernissage und einem Theaterstück zelebrierten Senioren, Jugendliche und Zuschauer den Abschluss des gemeinsamen Theater- und Kunstprojekts Grenzenlos.

18 Schüler betreut Jan Stark, Lehrer an der Gotthard-Müller-Schule. Es sind Migranten und Flüchtlinge, die nur gebrochen Deutsch sprechen. Im vergangenen Jahr besuchten sie regelmäßig die Bewohner der Wohngemeinschaft. Durch Gespräche mit den älteren Menschen verbesserten sie ihre Sprachkenntnisse. Außerdem lernten sie viel über deutsche Gebräuche und Tradition: Denn in der Zeit wurden gemeinsam Plätzchen gebacken, Fasching gefeiert oder Ostereier bemalt.

Vorurteile abbauen

Im Gegenzug freuten sich die Senioren über die willkommene Abwechslung und wissbegierige Zuhörer. Von Ängsten und Vorteilen zwischen Jungen und Alten, zwischen Flüchtlingen und Deutschen war nach wenigen Begegnungen kaum noch etwas zu spüren. Im Gegenteil: „Über die Zeit entwickelten sich generationenübergreifende Freundschaften“, so WGfS-Geschäftsführerin Rosemarie Amos-Ziegler.

Gemeinsamkeit statt Unterschiede

Statt Unterschieden standen plötzlich Gemeinsamkeiten im Vordergrund: Genau wie die Jugendlichen erlebten auch viele der Rentner Verfolgung, Flucht und das Misstrauen, das Flüchtlingen in der neuen Heimat entgegenschlägt. Andere fühlen sich entwurzelt, weil sie im Alter ihr vertrautes Zuhause aufgeben und in die ungewohnte Umgebung des Seniorenheimes ziehen mussten. „Die Themen Heimatlosigkeit und Sehnsucht, Tod und Abschied, Angst und Ungewissheit treibt beide Gruppen um“, weiß Pädagoge Jan Stark.

Kunst-und Theaterprojekt Grenzenlos

Auf dieser Basis entstand das Kunst-und Theaterprojekt Grenzenlos, das kürzlich als vorläufiger Höhepunkt der ungewöhnlichen Kooperation stattfand. Der Abend, ganz im Zeichen von Völker- und Generationenverständigung, hat gesellschaftliche Bedeutung. Deshalb eröffneten der Oberbürgermeister von Filderstadt Christoph Traub und Rektor Jürgen Sautter das bunte Treiben in der Filharmonie.

Sicherer Raum für Ängste, Zweifel und Hoffnungen

Unter Anleitung von Eva Hauser, Kunsttherapeutin der Kunstschule Filderstadt, visualisierten Schüler und Senioren mit Pinsel und Buntstiften ihre Heimatgefühle. Das Projekt bot alt und jung einen sicheren Raum, um eigene Ängste, Zweifel, aber auch Hoffnungen auszudrücken. „Es sind Bilder entstanden, die eine sehr emotionale Sprache sprechen“, berichtet Stark beeindruckt. Die Senioren seien in der Schule richtig aufgeblüht und hätten die Zusammenarbeit mit den jungen Schülern sichtlich genossen.

Theaterstück „Die Tür“

Parallel entwickelten die Jugendlichen und Inge Baumann gemeinsam mit zwei Theaterpädagogen der Kunstschule das Theaterstück „Die Tür“. Vor einer simplen Kulisse aus weißlackierten Palletten entführen sie und die Flüchtlingskinder den Zuschauer auf eine märchenhafte Reise. Die Seniorin tritt als Erzählerin auf, die die Zuschauer durch die Geschichte leitet. Atmosphärisch dicht, erzählt das Stück ein Drama über Völkerverständigung in einer Welt, in der Menschen aus verschiedenen Nationen ihre Differenzen überwinden und Freundschaft schließen, anstatt sich anzufeinden oder Kriege zu führen. Von den Kostümen über die Kulisse bis hin zur Musik ist das gesamte Stück in Eigenregie entstanden.

Theater mit Atmosphäre

Dass Erzählerin Inge Baumann ohne Gehhilfe über die Bühne stolziert, grenzt an ein Wunder. Im Dezember stürzte die 82-Jährige nämlich bei Proben und zog sich einen Oberschenkelhalsbruch zu. „Sie wollte unbedingt auftreten, aber nicht mit Rollator auf die Bühne“, berichtet Rosemarie Ziegler-Amos, „deshalb hat sie hart trainiert.“ Die Geschäftsführerin zeigt sich begeistert von dem Theaterstück:„ Es war ein schönes Stück und im Raum herrschte eine tolle Atmosphäre.“ Dafür erhielten die Jugendlichen und Inge Baumann tosenden Beifall.