Pflege allein zu Haus: Niedrigschwellige Entlastungsangebote

104 Euro im Monat entlasten pflegende Angehörige

Endlich klarsehen: Familie und Freunde können pflegenden Angehörigen helfen, die eigene Leistung in Perspektive zu setzen. Damit diese Entlastungsangebote, wie eine Haushaltshilfe, ohne schlechtes Gewissen annehmen können. (Foto: Fotolia)

Pflegende Angehörige sind 24 Stunden am Tag im Dienst. Ihr Job erfüllt, belastet aber auch ungemein. Seit vergangenem Jahr zahlen die Pflegekassen nun für „Niedrigschwellige Betreuungs-und Entlastungsangebote“. Diese anzunehmen, ist manchmal gar nicht so einfach.

Seit Januar 2015 haben alle Pflegebedürftigen, die Möglichkeit, „Niedrigschwellige Betreuungs- oder Entlastungsangebote“ in Anspruch zu nehmen. Dafür stehen pro Pflegebedürftigem 104 Euro im Monat zur Verfügung. Bei erheblicher Einschränkung der Alltagskompetenz sogar 208 Euro.

Mehr Geld für pflegende Angehörige

Ab 2017 erhöht sich der Satz auf  125 Euro. Die höhere Leistung von 208 Euro wird dann wenigen Härtefällen vorbehalten sein. Von der Verhinderungspflege über Alltagspflege bis hin zur Haushaltshilfe: Diese Angebote sind relativ breit gefächert. Darüber gibt es viele Artikel im Internet. Schauen Sie doch doch mal hier oder hier.

Unterstützung sichergestellt

Unsere Pflegekasse hat uns 2014 ein Schreiben über diese Neuregelung zugeschickt. Auf meine Nachfrage hin war zu dem Zeitpunkt aber noch offen, wie die Umsetzung genau erfolgen soll. Die zuständige Sacharbeiterin teilte mir mit, dass diese zusätzliche Leistung nach in Kraft treten nur über zugelassene Pflegedienste abgerufen werden kann. Von anderen pflegenden Angehörigen hörte ich, dass es in einigen Bundesländern auch möglich ist, Privatpersonen, die einen speziellen Kurs absolviert haben, mit diesen Aufgaben zu betrauen.

Das Geld wird nicht ausgezahlt! Das finde ich gut, denn so wird sichergestellt, dass die 104,- Euro wirklich zur Unterstützung genutzt werden.

Abgeben ist gar nicht so einfach

Nach langer Zeit habe ich es endlich geschafft, diese Leistung anzunehmen. Ja, anzunehmen. Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich habe noch immer das Gefühl:

Ich muss alles alleine hinbekommen.

Dabei sind diese Angebote doch extra auch für uns pflegende ANgehörige gemacht. Heute bin ich froh, dass ich mir einen Ruck gegeben habe. Es ist so leicht gesagt:

Hol dir doch jemanden, der beim Haushalt hilft.

Klingt ja auch super. Aber ich musste erstmal damit klar kommen, jemanden zu bitten, unseren Fußboden zu saugen, unser Bad zu reinigen oder unsere Fenster zu putzen.

Was denken ‚die‘ von einem?

Ich bin nicht unordentlich! Aber so, wie früher, sah es natürlich nicht mehr aus. Ich musste das Gefühl unterdrücken, erstmal ‚vorzuputzen‘, bevor ich jemanden dazu hole, der dann für uns putzt. Klingt das komisch? Mag sein, aber so ist es bei mir gewesen. Was soll denn diejenige oder derjenige denken, der uns hilft?

Nun ist die schon den ganzen Tag zu Hause und bekommt das nicht hin? Schon wieder versagt?

Solche Gedanken und noch viel mehr gingen mir wochenlang im Kopf herum. Fakt ist, das waren nur meine Gedanken. Unterhalte ich mich mit Familie, Freunden oder Bekannten, erfahre ich nur Anerkennung für das, was ich jeden Tag mache. Ich stelle immer wieder fest: Mir fällt es schwer, diese anzunehmen. Ich bekam also Zuspruch. Und habe die Kurve bekommen.

Hilfsbereiter Pflegedienst

Alle drei Monate begutachtet uns ein Pflegedienst, um gute Pflege sicherzustellen. Dort habe ich den Antrag auf die Niederschwelligen Entlastungsangebote gestellt. In unserem Fall eine Haushaltshilfe. Es dauerte eine Weile, bis eine Hilfe kam, da der Pflegedienst zum Zeitpunkt meiner Anfrage nicht genug Kräfte zur Verfügung hatte und neues Personal einstellen musste. Nun ist es aber so weit:  Wir haben seit einigen Wochen eine Hilfe und ich bin begeistert.

Leistung verfällt erst im Folgejahr

Das Geld von Januar bis Juni war nicht verfallen. So kommt jetzt einmal in der Woche für zwei Stunden eine sehr nette Frau, die uns hilft. Unkompliziert, freundlich, schnell und gründlich. Es wird wohl noch etwas dauern, bis ich mich dabei hinsetzen und nebenbei entspannen oder etwas anderes machen kann. Aber schon jetzt frage ich mich:

Warum habe ich so lange gewartet?

Sofern Sie bisher gezögert haben, diese Hilfsmöglichkeit auszuschöpfen kann ich nur raten, geben Sie sich einen Ruck.

Meine Fragen an Sie heute

Nutzen Sie diese Möglichkeit? Wenn ja, welche davon? Wenn nein, warum nicht?

Herzliche Grüße

Ihre Wiebke Worm

Über Wiebke Worm

Wiebke Worm schreibt die Pflegebibel-Kolumne Pflege allein zu Haus. Die Buchautorin, Illustratorin und Fotografin pflegt ihren MS-kranken Mann. Gemeinsam mit Betroffenen und anderen pflegenden Angehörigen hat die ehemalige Crew-Managerin den Sammelband Wir bauen eine Brücke herausgegeben. Über ihre Facebook-Seite Wir pflegen unsere Lieben betreut sie die Aktion Herzensangelegenheiten, die Aufmerksamkeit für die Lebensumstände pflegender Angehöriger schaffen soll. Bei uns schreibt die Autorin über ihren Pflegealltag und gibt nützliche Tipps für pflegende Angehörige und Betroffene.