Arbeitszeugnis: Dezent codiert

Was typische Formulierungen im Arbeitszeugnis wirklich aussagen

Vor einer Bewerbung empfiehlt es sich, das Arbeitszeugnis auf Vollständigkeit und versteckte Hinweise zu prüfen.

Nach drei Jahren hat Marie ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft endlich abgeschlossen. Leider konnte das Seniorenheim sie nicht übernehmen. Es wäre nur ein Arbeitsplatz machbar, meinte die Chefin. Und den nimmt die andere Auszubildende ein. Auch nicht schlimm, denkt sich die nun vorerst Arbeitslose. Die Jobsuche wird gut verlaufen. Ist ihr Arbeitszeugnis doch positiv zu lesen. Marie habe sich immerhin stets bemüht und die Arbeit mit großem Fleiß erledigt. Als jedoch nach und nach Absagen in den Briefkasten flattern, gibt ihr das Grund zur Sorge. Vielleicht ist das Zeugnis ja doch nicht so wohlwollend und es verstecken sich Hinweise zwischen den Zeilen.

Gesetzliche Vorgaben

Wahrheitsgemäß und wohlwollend soll das Arbeitszeugnis sein. So gibt es der Gesetzgeber vor. Trotzdem gibt es einige typische Formulierungen, die – vor allem bei größeren Einrichtungen mit Personalabteilung –  indirekt, meist negative Bewertungen kaschieren. „Jeder sollte die wichtigsten Formulierungen kennen, um beispielsweise als Angestellter sein Zeugnis deuten zu können. Aber auch als Arbeitgeber gilt es, peinliche Fehler zu vermeiden“, weiß Simone Stargardt aus Fellbach, Geschäftsführerin bei der privaten Akademie carriere & more. Das Deuten solcher Codierungen zu erlernen, ist Teil des Unterrichtsfachs Personalmanagement. Unter anderem gehört dies zu den Vorbereitungskursen an der Akademie für die Fachwirt- oder Betriebswirtprüfung.

Formulierungen codieren das Zeugnis

Wer also den Mitarbeiter im Arbeitszeugnis als gesellig beschreibt, muss wissen, dass dies für zu viel Alkohol am Arbeitsplatz steht. Auch das sonst so sehr erwünschte Einfühlungsvermögen ist in Bezug auf die Belange der Belegschaft nicht positiv zu verstehen. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen Angestellten, der Affären am Arbeitsplatz hatte. Die Formulierung „Die Auszubildende handelte stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ hingegen kann, durch minimale Veränderung, für klare Noten stehen.

Stets bemüht ist durchgefallen

So spricht letzteres für eine eins, die lediglich „volle Zufriedenheit“ für eine zwei – wer sich nur stets bemüht hat, wäre in der Schule wohl durchgefallen. Folgende Formulierung gibt in ähnlicher Weise wieder, wie zufrieden der Betrieb tatsächlich war: Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Bewohnern (je nach Branche auch: Kunden) war stets einwandfrei. Stehen alle drei Personengruppen in genau dieser Reihenfolge, ist das sehr gut. „Sind sie jedoch vertauscht oder fehlt sogar eine, war indirekt gesagt irgendetwas nicht in Ordnung und das Verhalten dieser Gruppe gegenüber nicht gut“, erklärt Stargardt.

Inhalt auf Vollständig kontrollieren

Nachdem die Bewertete das Zeugnis auf typische Formulierungen geprüft hat, schaut sie auf den Inhalt. Projekte und besondere Aufgaben sollten vollständig aufgeführt sein. Wichtiger ist jedoch, welche nicht vorhanden sind. Dies ist selten der Vergesslichkeit des Verfassers geschuldet. Die Arbeitnehmerin kann davon ausgehen, dass der Vorgesetzte ihre Arbeit nicht als zufriedenstellend empfand.

Auf den Schlussatz kommt es an

„War die Codierung bis hierhin verboten und im schlimmsten Fall durch eine Zeugnisberichtigungsklage anfechtbar, so enthält der unveränderbare Abschlusssatz die Grundeinstellung der Firma gegenüber der Bewerteten“, verdeutlicht Stargardt. Werde hier ein klares Bedauern für das Ende sowie Dank für die gute Zusammenarbeit und positive Zukunftswünsche deutlich, falle das gesamte Zeugnis positiv aus.

Checkliste:

  • Zeugnis auf gängige Formulierungen prüfen.
  • Alle wichtigen Aufgaben vollständig aufgeführt, außerdem Projekte, an denen man beteiligt war.
  • Schlusssatz sollte alle drei wichtigen Teile enthalten: Bedauern, Dank und Zukunftswünsche.
  • Wer sich nun immer noch unsicher bei der Bewertung ist: für wenig Geld online Arbeitsrechtler drüber schauen lassen.
  • Sollte das Zeugnis tatsächlich versteckt negativ formuliert sein, hilft meist ein Gespräch mit dem Arbeitgeber. Wenn das Zeugnis nicht angepasst wird, dann kann rechtlich dagegen vorgegangen werden. Schließlich steht und fällt der Erfolg bei der Jobsuche oft mit dem Arbeitszeugnis.