Horror-Clowns ruinieren Klinikclowns

Dachverband „Clowns in Medizin und Pflege“ kritisiert scharf die Überfälle durch Horror-Clowns

Horror-Clowns zerstören das Image der lustigen Clowns und verbreiten Angst und Schrecken (Foto: Fotolia)

Horror-Clowns machen deutsche Straßen unsicher: In gruseligen Clown-Kostümen lauern sie Passanten auf und verbreiten Angst und Schrecken. Klinikclowns wehren sich.

Klinik- Clown Lupino hört den Pflegebedürftigen zu und zaubert ein Lächeln in ihr Gesicht (Foto: Manfred Lehner)

Die bunten Schuhe sind drei Nummern zu groß, die Hosen zu kurz und die Daumen hinter die knallroten Hosenträger geklemmt. Mit einer munteren Melodie auf den Lippen spaziert Clown Lupino über den Besucherflur des Klinikum Großhadern. Fröhlich begrüßt er alle Wartenden. Diese reagieren: Für einen Moment vergessen sie ihre Sorgen und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. „Das Kostüm dient als Türöffner. So erreiche ich die Menschen, locke sie aus ihrer Gedankenwelt und komme mit ihnen ins Gespräch“, erklärt Luitpold Klassen. Als Klinikclown schlüpft der 54-Jährige in die Rolle von Lupino.

Das sind keine Clowns

Dass sich das Kostüm auch anders einsetzen lässt, nämlich um Angst und Schrecken zu verbreiten, zeigen die Vorfälle der vergangenen Wochen. Mindestens 370 Überfälle sogenannter Horror-Clowns verzeichnet die Polizei bisher deutschlandweit. Der makabre Trend stammt aus den USA. Ausgehend von South Carolina breitete sich das Phänomen erst über die gesamte Staaten aus und schwappte dann nach England, Schweden und Deutschland: Gestalten in gruseligen Kostümen lauern Passanten in Parks, Unterführungen oder Tiefgaragen auf. Sie erschrecken ihre arglosen Opfer und bedrohen sie mit Messern, Baseballschlägern oder Kettensägen. Dass es sich dabei keineswegs nur um geschmacklose Scherze handelt, zeigt ein Vorfall in Berlin: Ein 16-Jähriger wollte im Gruselkostüm seine Freunde erschrecken. Daraufhin zückte sein 14-jähriger Kumpel ein Messer und stach ihm in die Brust. Der Streich endete für den Möchtegern-Horrorclown im Krankenhaus.

Der Dachverband „Clowns in Medizin und Pflege Deutschland“ fürchtet, dass die Streiche das Image aller Clowns, aber auch der Klinikclowns in den Schmutz ziehen. In einer Pressemitteilung fordert der Dachverband, dass „die Maske und ihr Träger“ als „Grinse-Fratze“ bezeichnet werden. Weiterhin werden die Horror-Clowns als „bedauernswerte Feiglinge“ und ihre Streiche als „geschmacklose Versuche, Aufmerksamkeit zu erringen“ bezeichnet.

Ernstzunehmendes Handwerk

(Foto: Manfred Lehner)

„Ein echter Clown versteckt sich nicht hinter einer Grusel-Maske. Ein echter Clown zeigt sich“, ereifert sich Klassen. Seit neun Jahren ist der 54-Jährige Klinikclown. Mehr als 2000 Mal hat der Münchner vor kranken Kindern, demenziell Veränderten oder Sterbenden gespielt. Die Horrorshow der Grusel-Clowns packt ihn bei seiner Berufsehre. Der gelernte Schreiner baute mehr als zwanzig Jahre Betten auf, um und auseinander, bevor er seine Berufung fand und die Vollzeitausbildung zum Clown in Mainz absolvierte. Die Schule für Clowns, mittlerweile in Hofheim-Lorsbach ansässig, ist eine von zwei staatlich anerkannten Berufsfachschulen für Clownerie. Zwei Jahre lang lernen die Clown-Anwärter hier das Handwerk: Sie trainieren auf Stelzen zu laufen, Pantomime, Jonglieren, Gesang und finden ihre persönliche Clown-Stimme. Harte Körperarbeit sei das gewesen, erinnert sich Klassen. Und Arbeit an sich selbst, um seinen Zugang zum inneren Kind wiederzufinden. Durch ständige Weiterbildungen erlernte er außerdem den Umgang mit Kranken und demenziell Veränderten.

Denn Clown ist nicht gleich Clown: Während der Horror-Clown Angst und Schrecken verbreiten will, möchte der Zirkusclown laut und lustig sein. In der Manege spielt er seine Rolle groß, um mit aussagekräftiger Gestik und Mimik auch das Publikum in der letzten Reihe erreichen. Der Klinikclown hingegen sucht den intimen Moment der Begegnung. Er hört zu, verbringt Zeit mit einzelnen Patienten, will ihnen die Angst nehmen und ein Lächeln auf das Gesicht zaubern. „Manchmal funktioniert das nicht. Das ist dann peinlich für mich. Aber auch darin steckt ein lustiges Moment“, berichtet Klinikclown Klassen schmunzelnd.

Horror-Clowns schaden nicht nur dem Image

Durch den Medienrummel um die Horrorclowns muss er nicht nur um den Ruf seines Berufsstandes bangen, die Horror-Attacken könnten finanzielle Folgen haben: „Meine Kollegen und ich finanzieren uns über Spenden, Sponsoren oder Stiftungen. Für die Krankenhäuser, Seniorenheime oder Hospize, die wir besuchen, fallen normalerweise keine Kosten an.“

Die Klinikclowns sind also angewiesen auf Wohltäter. Doch Spenden zu sammeln ist schwierig, wenn Clowns mit Monstern aus Horrorfilmen assoziiert werden. Seit Mitte 1980er Jahren müssen sich Clowns verstärkt gegen dieses Image wehren. Obwohl die Figur des bösen Clowns davor schon in Literatur und Folklore auftaucht, gewann sie in dieser Zeit eine gewisse Popularität. Pennywise aus Stephen Kings Roman „Es gilt heute vielen als Idealbild des bösen Clowns. Das 1986 erschienene Buch wurde 1990 unter dem Titel „Stephen Kings Es verfilmt. Weitere Filme, in denen böse Clowns auftreten, wie „Space Invaders“, „Clownhouse“ oder Tim Burtons „Batman Returns“ folgten. Dass dieses popkulturelle Phänomen Klinikclowns die Arbeit erschwert, ist ärgerlich. Denn erste wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, wie wichtig ihre Arbeit ist.

Studien belegen Wirksamkeit

Klinik- Clowns spielen eine wichtige Rolle- gerade bei Kindern (Foto: Isabel Kiesewetter)

So lieferte eine Pilotstudie der Klinik für Kinderchirurgie der Universitätsmedizin Greifswald und des Instituts für Sozial- und Organisationspsychologie der Humboldt-Universität zu Berlin Anfang diesen Jahres Belege für die Wirksamkeit von Klinikclowns in der Kinderchirurgie. Die Ärzte erfragten das seelische Wohlbefinden von 31 Kindern im Alter von vier bis 13 Jahren. Außerdem wurde ein wichtiger objektiver Indikator für Vertrauen gemessen: das Oxytocin. „Sowohl in den persönlichen Befragungen als auch im gestiegenen Oxytocin-Spiegel konnten wir bei den Kindern mit einem Clownsbesuch eine deutliche Verminderung der Angstgefühle registrieren“, fasst Winfried Barthlen, Studienleiter und Direktor der Kinderchirurgie, die Ergebnisse zusammen.