Angst vor HIV und Aids in der Pflege

Aus Unwissenheit werden viele HIV-Infizierte in Pflegeeinrichtungen stigmatisiert

Schön und alarmierend: Die rote Schleife ist das prägnante Zeichen der Solidarität mit HIV-Infizierten und Aids-Kranken. (Bild: Fotolia)

Angst vor HIV-Infizierten kam in den 80er-Jahren auf, als viele Menschen an den Folgen des Virus starben. Seitdem hat sich die Medizin enorm entwickelt – heute ermöglichen Medikamente ein langes Leben von Menschen mit HIV.

HIV und Aids sind dennoch ein Tabu – auch in der Altenpflege. Wenige möchten sich mit der Immunkrankheit beschäftigen, und die meisten wissen nicht so recht, wie sie damit umgehen sollen. In Deutschland leben etwa 85.000 Menschen mit HIV, ein Drittel von ihnen ist älter als 50 Jahre. „Künftig werden sich vermehrt auch Menschen mit HIV in den Alten- und Pflegeheimen finden, was aber kein Ansteckungsrisiko in der Pflege birgt“, sagt Silke Eggers, Referentin der Deutschen AIDS-Hilfe.

Kein Grund für Diskriminierungen

„Vor 20 Jahren hat man Wegwerfgeschirr für HIV-Positive bereitgestellt“, so Eggers. Die Unwissenheit in der Anfangszeit verbreitete Angst und niemand wusste, wie man sich schützen muss oder welche Maßnahmen überzogen sind. Heute ist das Wissen ausgereifter. Im alltäglichen Zusammenleben und in der Pflege besteht keinerlei Ansteckungsgefahr, wenn die Richtlinien zur Hygiene und zum Arbeitsschutz eingehalten werden.

Normale Lebenserwartungen trotz HIV

Dank der antiretroviralen Medikamente haben Menschen mit HIV heute bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung eine annähernd normale Lebenserwartung bei guter Lebensqualität. Aus den etwa 20 verschiedenen Substanzen gegen HIV werden dabei mehrere Wirkstoffe, die die Virusvermehrung an unterschiedlichen Stellen blockieren, zusammen verabreicht. Heilen lässt sich die HIV-Infektion damit allerdings nicht – die Medikamente müssen nach einer Infektion ein Leben lang eingenommen werden.

Aids bricht selten aus

Von Aids, dem erworbenen Abwehrschwächesyndrom, spricht man, wenn nach Jahren ohne Behandlung lebensbedrohliche Erkrankungen, wie opportunistische Infektionen oder bestimmte Tumore auftreten. Aids lässt sich heute jedoch meist vermeiden und selbst schwere Symptome gehen durch eine antiretrovirale Behandlung oft wieder zurück.

Keine Gefahr durch HIV im Pflegealltag

Einschränkungen gibt es bei chirurgischen Tätigkeiten nur, wenn die Viruslast des infizierten Mitarbeiters über der Nachweisgrenze von 50 Kopien pro Milliliter ist.„Ein Infektionsrisiko gibt es nur dann, wenn Viren in ausreichender Zahl in den Körper gelangen, mit offenen Wunden oder Schleimhäuten in Berührung kommen“, so Eggers. Sex ohne Kondom oder gemeinsames Verwenden von Spritzen machen eine Infizierung wahrscheinlich. Im Alltag, auch im Pflegealltag, bestehe dagegen kaum Gefahr. Anhusten oder Anniesen, die gemeinsame Benutzung von Toiletten, Haareschneiden, Benutzen desselben Geschirrs sind daher kein Problem. Tragen von zwei Paar Handschuhen oder die gesonderte Reinigung von Geschirr oder Wäsche seien daher nicht nur unnötig, sondern auch diskriminierende Maßnahmen.

Geringes Infektionsrisiko

„Das Risiko sich mit einer Grippe zu infizieren ist wesentlich höher“, erklärt die Referentin für soziale Sicherung und Versorgung. Selbst bei Stich- oder Schnittverletzungen mit Instrumenten, an denen HIV-haltiges Blut haftet, könne das Risiko einer Infektion durch Sofortmaßnahmen, wie die Post-Expositions-Prophylaxe, eine vierwöchige Behandlung mit Medikamenten, erheblich reduzieren.

Gleichbehandlung

Umdenken und sich nicht verschließen lautet also die Devise für Pflegekräfte und Chefs von Seniorenwohnheimen und Pflegeeinrichtungen. Sie sollten deutlich machen, dass Menschen mit HIV wie alle anderen Patienten oder Bewohner behandelt werden können. Darüber hinaus sollten sie das Personal aufklären und schulen – die Aidshilfen helfen hier gerne.

Persönlichkeitsrechte schützen

„Wichtig ist ein sensibler Umgang, der das Persönlichkeitsrecht der Infizierten schützt“, so Eggers. „Niemand ist verpflichtet, seine Infektion offenzulegen. Geschieht das dennoch, ist das gesamte Personal zu einem verantwortungsvollen Umgang verpflichtet“. Ein Warnhinweis l auf einem Dokumentationsbogen kann auch von anderen gesehen werden und stellt einen Verstoß gegen den Datenschutz dar.

Mehr Diversität in Pflegeheimen

Die Zukunft der Pflegeheime sieht Eggers bunter und vielfältiger als heutzutage: „Die Welt ist offener und freizügiger geworden. Zudem werden die Menschen älter, was Toleranz verlangt – auch im Umgang mit Infizierten.“

 



Hendrik Stüwe (Jahrgang 1991) Ist Pflegebibel Redakteur, gelernter Industriekaufmann, Fotograf und Journalist. Gesundheits- und Management-Themen sowie aktuelle Ereignisse aus der Pflege sind seine Spezialgebiete. Damit ist der ehemalige Fitnesscoach auch in anerkannten Arzt-, Physio- und Fitness-Magazinen unterwegs.

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