Pflege-Mode: Bunte Kasacks rocken

Ausgefallene Kasacks verbessern das Betriebsklima und erfreuen Patienten

Schluss mit Uniform: Die Pflege mag’s bunt und individuell. (Bild: Fotolia)

Pflegekräfte tragen klassischerweise weiß. Das wirkt professionell, aber auch unnahbar: Denn die Bewohner assoziieren mit weißer Arbeitskleidung Krankheit. Deshalb tragen Mitarbeiter in vielen Einrichtungen mittlerweile bunte Kasacks.

Seniorenheime und Pflege-WGs sind für die meisten Bewohner ihr Zuhause. So richten sie ihre Zimmer mit persönlichen Gegenständen ein und viele bauen eine Bindung zu den Angestellten auf. Sie freuen sich daher über bunte Oberteile, die die Persönlichkeit der Mitarbeiter unterstreichen und Farbe in die Wohnbereiche bringt. Zudem freuen sich Menschen mit Demenz, wenn sie auf Kasacks kreative Motive entdecken.

Arbeitskleidung auf Miete

Im Seniorenwohnen Wolframs-Eschenbach hat bunte Kleidung Tradition. Bis vor zwei Jahren trugen alle Angestellten des Hauses der Sozialservicegesellschaft des Bayerischen Roten Kreuzes (SSG) rote Kasacks. „Die Farbe hat Bewohner, Angehörige und uns selbst schier erschlagen. Außerdem war der Stoff zu schwer“, erinnert sich Karin Weeger. Die Einrichtungsleiterin schaute sich deshalb nach Alternativen um und wurde zur Freude ihrer Mitarbeiter fündig. Seither bezieht das Seniorenwohnen seine Arbeitskleidung von einer Wäscherei – gegen eine Mietgebühr. Das sei zwar etwas teurer als hauseigene Kleidung, dafür habe sich der organisatorische Aufwand verringert. „Die Kleidung auf die Spinde zu verteilen war aufwändig, ständig fehlten Kleidungsstücke oder wurden falsch einsortiert“, erinnert sich Weeger.

Immer das richtige Oberteil dank Barcode

Heute sind jedem Mitarbeiter per Barcode sieben bunte Kasacks und fünf Hosen zugeteilt. Die externe Wäscherei holt die getragenen Kleidungsstücke ab, wäscht diese und verteilt sie wieder auf die Spinde der Mitarbeiter. Denen gefällt das neue System: Die Oberteile sind leicht zu tragen, schmeicheln dem Auge und kennzeichnen verschiedene Arbeitsbereiche. So tragen die Pflegekräfte lindgrün, die soziale Betreuung apricot, der sonstige Dienst bordeaux und die Küche weiß.

Farbliche Kennzeichnung vereinfacht Prozesse

Das bietet Bewohnern Orientierung: Wer eine zweite Portion Sauerbraten wünscht, wendet sich an das Personal in Weiß. Muss hingegen der Stoma geleert werden, sind die Pflegekräfte in Grün der richtige Ansprechpartner. Insbesondere Menschen mit Demenz profitieren von der bunten Gedächtnisstütze, die ihnen ein Stück weit Sicherheit vermittelt und sie beruhigt. Die Pflegekräfte wiederum sind froh, wenn Angehörige sie seltener nach den Kursen zur rhythmischen Gymnastik fragen und sich stattdessen direkt an die Soziale Betreuung im apricotfarbenen Kasack richten. Das spart Zeit und vereinfacht Prozesse.

Bunte Kasacks auf Facebook

Luisa Ramirez vertreibt über Facebook bunte Kasacks aus den USA.
Luisa Ramirez vertreibt über Facebook bunte Kasacks aus den USA. (Foto: privat)

Bei Pflegekräften liegt bunte Arbeitskleidung ohnehin im Trend. Kein Wunder also, dass sich die Facebook-Gruppe „Bunter Kasack Shop“ reger Beliebtheit erfreut. Beinahe 2000 Mitglieder stöbern hier durch das Angebot von Luisa Ramirez. Die gelernte Krankenschwester vertreibt die farbenfrohen Kittel über diesen Kanal, seit sie mit ihrem Ehemann in die Staaten gezogen ist. Schlupfkasacks werden dort in den buntesten Farben und mit unterschiedlichsten Motiven angeboten. Die bequemen Oberteile sind bei US-Amerikanern, keineswegs nur Pflegekräften, beliebt. „Wer acht Stunden am Tag arbeitet, will sich in seiner Kleidung wohlfühlen und in seiner Individualität wahrgenommen werden“, begründet die 27-Jährige das Interesse an ihrem Online-Shop. Schlupfkasacks, die den Geschmack des Trägers widerspiegeln, trügen daher zu einem besseren Betriebsklima bei.

Wachsende Nachfrage nach kreativen Kasacks

In Deutschland deckt das Angebot der gebürtigen Rheinländerin eine Marktlücke ab: Zu Beginn, im April 2016, verkaufte sie im Monat lediglich zehn bunte Kasacks. Dank Mundpropaganda hat sich die Zahl inzwischen verzehnfacht. Da Ramirez die Oberteile in kleiner Stückzahl regulär im Einzelhandel ersteht, ist die Auswahl jedoch stets begrenzt und die Modelle sind schnell vergriffen. „Ich entscheide nach eigenem Geschmack, was ich in welchen Größen ankaufe. Dabei versuche ich die Auswahl möglichst vielfältig zu gestalten“, sagt Ramirez.

Niedliche Motive kommen gut an

Besonders beliebt seien Tiermotive wie Schmetterlinge, Hunde, Katzen – oder Eulen. „Da schlagen wohl die Nachteulen von der Nachtschicht zu“, witzelt die rheinische Frohnatur. Berufsbezogene bunte Kasacks mit Mustern, wie etwa aufgedruckten Stethoskopen oder kleinen Kinderkrankenschwestern werden ebenfalls oft bestellt. Trotz wachsender Kundenzahl, kann die Auswanderin von ihrem Facebook-Shop nicht leben. Deshalb will die Wahl-Kalifornierin als „On Set Medic“ bei Filmdrehs arbeiten, sobald die Einwanderungsbehörden es erlauben. Ihr Traum bleibt aber ein kleiner Kasack-Laden in Deutschland.

Selbstgeschneiderte Kasacks aus Chemnitz

Katrin Gruner schneidert bunte Kasacks

Katrin Gruner kann sich ebenfalls gut vorstellen, mit bunter Pflegekleidung Geld zu verdienen – freilich ohne die Pflege gänzlich an den Nagel zu hängen. Die gelernte Altenpflegerin entwirft und schneidert ihre bunten Kasacks in Eigenregie. „Ich musste mich erst reinfuchsen, aber mittlerweile gelingen mir die richtig gut “, freut sich die 35-Jährige. Inspiriert haben sie die Oberteile ihrer Mitarbeiter. „Meine Kollegen tragen zwar bunte Arbeitskleidung. Die sieht aber trotzdem klinisch und steril aus.“ Der Einheitslook raubt den Trägern ihre Persönlichkeit, findet die Sächsin.

Arbeitskleidung, die rockt

Also holte sie ihre alte Nähmaschine vom Dachboden, kaufte Stoff, funktionierte einen alten Kasack zum Schnittmuster um und machte sich an die Arbeit. „Ich bin flippig und liebe den Rock ’n‘ Roll. Das sieht man jetzt auch an manchen meiner Kasacks“, sagt die selbstbewusste Chemnitzerin.
Punkte, Totenköpfe, Schleifen – Gruner ist großer Fan des Rockabella-Look.
Andere Kreationen wirken dagegen harmlos: Im Nachtdienst trägt sie beispielsweise einen blauen Kittel mit Monden und Sternen.

Moderne Pflege in stylischen Outfits

Ihre Bewohner in der Intensivpflege-WG freuen sich immer auf den nächsten Entwurf. Die Totenköpfe stören sie nicht. „Der Kasack muss zum Pflegeumfeld passen. Unsere Patienten sind im Schnitt 65 Jahre alt und hören selber AC/DC oder Black Sabbath“, erklärt Gruner. Und die Chefin? Der gefällt Gruners ausgefallene Arbeitskleidung. Ihr Kommentar: „Ein typischer Katrin-Kasack“. Die Kollegen stehen bei Gruner bereits Schlange: Sie wünschen sich ebenfalls selbstgeschneiderte Oberteile passend zum eigenen Stil.