Impulse durch Paulsen: Neue Kolumnistin stellt sich vor

Gabriele Paulsen bricht Tabuthemen und ermutigt zum positiven Denken in der Pflege

Sexualität im Gesundheitswesen ist Paulsens Terrain. Als ehemalig Pflegefachkraft weiß Sie wo Bedürfnisse auf Pflege- und Seniorenseite liegen
Gabriele Paulsen ist Geschäftsführerin des Sexualbegleit-Services Nessita und coacht Unternehmen oder Einzelpersonen aus dem Gesundheitswesen. (Foto: Privat)

Die Pflegebibel heißt Gabriele Paulsen als Kolumnistin willkommen. Als Geschäftsführerin des Sexualbegleit-Services „Nessita“ trainiert und coacht sie seit mehr als zehn Jahren Einzelpersonen, Teams, Unternehmen und Organisationen im Gesundheitswesen. Als ehemalige Pflegefachkraft und mit täglichen Problemen konfrontiert, weiß sie, was in der Pflege passiert und wo Bedürfnisse liegen.

Frau Paulsen, Sie arbeiteten in der Pflege: Weshalb jetzt nicht mehr?

Ich habe immer gerne in der Pflege gearbeitet, allerdings ist das schon lange her, genauer gesagt habe ich bis zur Jahrtausend-Wende als Pflegefachkraft gearbeitet. Anschließend wechselte ich in das Qualitätsmanagement.

Haben Sie gepflegt und schwupp wurde Ihnen die Stelle im Qualitätsmanagement angeboten?

Schöne Vorstellung. Ich habe mich immer im Gesundheitswesen weitergebildet und habe Schulungen zu gewaltfreier Kommunikation absolviert, zur Ernährungsberaterin und zum Business-Coach. Zusätzlich war ich war lange als selbstständige Unternehmensberaterin tätig und habe meine Kunden bei MDK Prüfungen begleitet.

Sie sind Geschäftsführerin eines Sexualbegleit-Services. Wie kam es dazu?

Während meiner Zeit als Pflegerin war das Thema Sexualität schon vorhanden. Nur als strenges Tabuthema. In der Regel arbeiten immer noch viele Einrichtungen nach dem Pflegemodell von Monika Krohwinkel. Dort ist auch die ABEDLsich als Mann oder Frau fühlen können“ verankert. Wieder aufgelebt ist die Idee der Gründung in meiner Zeit nach dem Qualitätsmanagement als ich im Vertrieb beim Hilfsmittel-Hersteller Paul Hartmann arbeitete. Für alles gab es Mittel, für Gefühle und Bedürfnisse leider nicht. So war der Sexualbegleit-Dienst-Gedanke geboren. Heute Nessita.

Sind Sie neben Nessita noch als Coach unterwegs?

Ja, denn der Gedanke, dass auch Senioren sexuelle Bedürfnisse haben, ist noch nicht salonfähig. Daher versuche ich, die Betrachtungswinkel der Pflegekräfte zu verstehen und Hemmungen in Bezug auf Sexualität zu nehmen. Es geht darum, die professionelle von der erotischen Berührung zu unterscheiden.

Welche Reaktionen begegnen Ihnen bei Ihren Trainings?

Die sind unterschiedlich. Viele wissen nicht, wie sie mit sexuellen Wünschen der Senioren umgehen sollen, dennoch stellen sich einige dem Thema und haben schon gute Lösungen für den richtigen Umgang gefunden. Andere werfen den Männern bei Erektionen kalte Waschlappen zwischen die Beine, weil sie es nicht sehen- oder verstehen können. Manche fühlen sich belästigt oder finden das Thema Sex und Gefühle generell peinlich und unangebracht.

Wie hilft Nessita?

Wir haben bisher deutschlandweit zehn Nessitas und vier Nessitos, die regelmäßig Senioren in Pflegeheimen besuchen und je nach Wunsch betreuen.

Klingt nach Prostitution. Wo ist der Unterschied?

Der Unterschied ist die Motivation und Intention der Sexarbeiter. Wir bieten seriöse und auf Senioren geschulte Sexualbegleiter mit viel Empathie an. Geschlechts- und Oralverkehr ist nicht in unserem Angebot enthalten. Was außerhalb der Vereinbarung und hinter verschlossener Tür passiert, ist Sache der Nessitas oder Nessitos und der Senioren.

Was wünschen sich die Kunden?

Der Großteil sehnt sich nach Geborgenheit. Zusammen im Bett liegen, gestreichelt werden, nackte Haut spüren – sich wohl fühlen und Sex in einer anderen Form erleben.

Wo sehen Sie die größten Probleme in der Pflege?

Ich glaube, die pessimistische Haltung Einiger zieht motivierte Pflegekräfte runter und das hat  Auswirkungen. Personalmangel ist Fakt und die Bezahlung entspricht häufig nicht dem Optimum. Jedoch gibt es einen Grund weshalb viele den Weg in die Pflege gewählt haben: Tägliche Herausforderungen, die Nähe zu Menschen und ein gutes Gefühl wenn der Arbeitstag endet. Ich würde mir wünschen, dass die Pflege ihren Blick wieder für Neues frei macht, nicht im Alten hadert und sich nicht selbst den Beruf durch meckern vermiest. Die Pflege hat Potenzial.

Was können unsere Leser von Ihnen als Kolumnistin erfahren?

Ich möchte über Themen sprechen, die todgeschwiegen werden und zu einem positiven Pflegeklima beitragen. Die Pflege hat noch viele Baustellen abzuarbeiten und ich versuche, meinen Teil dazu beizutragen.

 

Über Gabriele Paulsen
Gabriele Paulsen berät, trainiert und coacht seit über 10 Jahren Fachkräfte im Gesundheitswesen. Sie gründete den Sexualbegleit-Service Nessita und lebt in Hamburg. Schwerpunkte Ihrer Arbeit sind gewaltfreie Kommunikation und Buisness Coaching. Seit 2001 war sie als Medizinproduktebeauftragte, Ernährungstherapeutin, Fachberaterin für Qualitätsicherung und auch im Vertrieb in der Altenpflege tätig. Davor arbeitete sie in den Universitätskliniken Hamburg und Kiel als Fachkranken­schwester in der Anästhesie- und Intensivpflege. Gabriele Paulsen zeigt neue Wege auf und hilft Veränderungen aktiv mitzugestalten. Die sexuelle Selbstbestimmung als Gedanke der Menschenrechte steht dabei im Fokus ihres Handelns.