Bundestagswahl im Pflegeheim

So können auch Pflegebedürftige ihre Stimme abgeben

Am 24. September sind 61,5 Millionen Bürger zur Wahl des 19. Deutschen Bundestages aufgerufen. Dazu gehören auch Pflegebedürftige. Ein Alzenauer Pflegeheim macht vor, wie Einrichtungen und Angehörige Senioren die Stimmabgabe erleichtern können.
Auch Pflegeheimbewohner haben das Recht zu wählen (Foto: Fotolia)

Am 24. September sind 61,5 Millionen Bürger zur 19. Bundestagswahl aufgerufen. Dazu gehören auch Pflegebedürftige. Ein Alzenauer Pflegeheim macht vor, wie Einrichtungen und Angehörige Senioren die Stimmabgabe erleichtern können. 

Jeder soll sein Bürgerrecht wahrnehmen können

Im Seniorenwohnen Alzenau ist für die Stimmabgabe alles organisiert. In dem hellen und freundlichen Gebäude leben derzeit 201 Senioren. Direkt vor Ort hat die Heimleitung in Zusammenarbeit mit der Gemeinde im Mehrzweckraum ein hauseigenes Wahllokal eingerichtet, in dem auch andere Bürger aus dem Wahlbezirk ihre Stimme abgeben dürfen. Auf diese Weise müssen Senioren, die nicht mehr gut zu Fuß sind oder im Rollstuhl sitzen, keinen beschwerlichen Weg auf sich nehmen und keine Barrieren überwinden. Doch auch wer Briefwahlunterlagen beantragen möchten, erhält Unterstützung.

Jeder der wählen will, darf wählen

„Wir helfen allen, damit sie ihr Wahlrecht ausüben können“, erklärt Stephan Bergmann, Einrichtungsleitung. Es gehe vor allem darum, jeden zum Wahlgang zu motivieren, aber keinesfalls Partei zu ergreifen. „Wir haben es schließlich mit gestandenen Persönlichkeiten zu tun“  hebt Melanie Schmidt, Leitung der Sozialen Betreuung hervor. Entscheidend ist, dass für die betagten Wähler Neutralität und Eigenständigkeit garantiert ist, wenn sie bei der Abstimmung ihr wichtiges Bürgerrecht wahrnehmen. Dieses Recht ist persönlich und kann nicht übertragen werden. Diesen Aspekt müssen auch pflegende Angehörige unbedingt beachten.

Wahllokal im eigenen Haus

Assistiert werden darf nur bei der praktischen Durchführung, nicht bei der Entscheidungsfindung. Stephan Bergmann, Einrichtungsleitung: „Wir müssen auch im Seniorenwohnen garantieren, dass Wahlen frei, geheim, gleich, allgemein und unmittelbar stattfinden.“ Eigenes Personal und ehrenamtliche Helfer begleiten die Bewohner am Wahltag von 08:00 bis 18:00 Uhr zum Wahllokal im eigenen Haus. „Wir werden die Angehörigen oder Freunde sowie die rechtlichen Betreuer im Vorfeld ansprechen und um Unterstützung bitten“, ergänzt die Organisatorin.

Information zu Parteiprogrammen durch Info-Monitor und Aushänge

Das von der Sozialservice- Gesellschaft des Bayerischen Roten Kreuzes betriebene Haus informiert die Bewohner vorab über Aushänge und einen Info-Monitor im Foyer über Wahltermin und –ablauf. Stephan Bergmann, Einrichtungsleitung hofft, dass mehr als die Hälfte der Senioren wählen geht.

Auch Menschen mit Demenz dürfen grundsätzlich wählen

Zum Wählen ist jeder berechtigt, der keinen amtlich bestellten Betreuer „für die Besorgung aller Angelegenheiten“ hat. Das wäre der einzige Fall, in dem auch Menschen mit Demenz von der Wahlliste gestrichen werden dürften. „Das Vorliegen einer Demenzerkrankung ist grundsätzlich kein Grund, der zum Ausschluss von der Wahlberechtigung führt“, erklärt Bärbel Schönhof, Fachanwältin für Sozialrecht und Vorstandsmitglied der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V..

Einfache Sprache für Ältere

Die Alzheimer-Erkrankung ist ein schleichender Prozess. „Wer sollte entscheiden, ab wann jemand nicht mehr weiß was er tut? Das ist praktisch unmöglich. Daher fordern wir, die Wahlausschlüsse abzuschaffen“, betont Dorothee Czennia, Referentin für Behindertenpolitik beim Sozialverband VdK. Einige Bundesländer haben dies bereits vollzogen. Der Fokus solle laut Czennia darauf liegen, allen Wählern, auch denen mit Einschränkungen, gleichberechtigt einen Zugang zu Informationen zu ermöglichen, beispielsweise durch einfache Sprache.

Wahlabend als Event

Wenn in Alzenau am 24. September um 18 Uhr das Wahllokal schließt, beginnt im Seniorenwohnen die Nachlese.  „Wir tauschen uns aus, jubeln, schimpfen, kommentieren. Wir warten auf Hochrechnungen, Analysen und schauen gemeinsam in die Gesichter von Siegern und Verlierern“, so Einrichtungsleiter Bergmann. Für die Bewohner sei der Wahlabend ein Event, das lange nachhallt.


Ronja Gysin
Jahrgang 1989, „Die Pflegebiblerin“
hat Medienwirtschaft in Stuttgart studiert, langjährige Jugendleiterin, lernte den Online-Journalismus bei ProSiebenSat.1 Digital kennen, arbeitete in einer Londoner Nachrichtenagentur, hat die besten Ideen beim Wandern und ist begeisterte Köchin. Ihr Lebensmotto: Wenn Plan A nicht funktioniert, bleiben noch 25 andere Buchstaben.