Ich pflege: Sven Joosten (39)

„Altenpflege ist Akkord- und Knochenarbeit“

Altenpfleger Sven Joosten
Foto: Privat

Name: Sven Joosten
Alter: 39
Beruf: Altenpfleger
Ort: Solingen
Umfeld: Freiberufler in der Heimbeatmung

Du arbeitest freiberuflich in der Heimbeatmung. Warum hast du dich für diesen Weg entschieden?

Ich arbeitete in einer Zeitarbeitsfirma und dachte darüber nach, was die denn für mich tun. Sie besorgen Aufträge, rechnen diese ab und zahlen mich aus. Da dachte ich, das kann ich auch selbst. Zunächst arbeitete ich dann bundesweit in Altenheimen und Krankenhäusern. 2005 kam ich in die Heimbeatmung und fühlte mich dort wohl. Seitdem arbeite ich regional und schlafe wieder in meinem eigenen Bett.

War die Heimbeatmung für dich als Altenpfleger eine besondere Herausforderung?

Aufgrund meiner Erfahrungen im rehabilitativen Bereich war ich mit Wachkomapatienten und Tracheostomien schon vertraut. Im klinischen Bereich hatte ich auf IMC- und Intensivstation gearbeitet. Die einzige Umstellung war eigentlich, bei den Leuten zuhause zu sein.

Wie hast du im Krankenhaus die Zusammenarbeit mit der Krankenpflege erlebt?

Man trat mir zunächst skeptisch gegenüber. Da ich jedoch von Natur aus neugierig bin, eignete ich mir zusätzliches Wissen an und machte eine Weiterbildung für IMC und außerklinische Beatmung. Zunehmend merkte ich, dass in fast allen Bereichen Routine, selten jedoch breit gestreutes Wissen vorhanden ist. Damit konnte ich punkten. Das Leben ist ein ständiger Lernprozess. Gerade die überregionalen Einsätze und die Nächte in der Heimbeatmung bieten zeitlichen Spielraum sich fortzubilden.

 

„Endlich ein zentrales Sprachorgan“

 

Du befürwortest die Einführung von Pflegekammern. Was genau verspricht du dir davon?

Zunächst sehe ich endlich ein zentrales Sprachorgan. Einheitliche Fort- und Weiterbildungen sind wichtig, für die kontinuierliche Weiterentwicklung und Qualität der Pflege. Außerdem benötigen die Strukturprozesse in der Ausbildung eine qualitative Direktion. Als Freiberufler sehe ich die Möglichkeit, dass wir unsere Pflichten belegen können. Damit hätten wir einen Nachweis der echten Selbstständigkeit, analog etwa zu Ärzten. Qualitative Verbesserungen bieten die Chance, die öffentliche Wahrnehmung der Pflege zu verändern: Von der Reduktion aufs waschen, hin zur professionellen Pflegefachkraft.

Was hältst du von der kommenden Generalistik?

Ich sehe die Hauptprobleme darin, dass die Altenpflege vermutlich weniger Personal bekommt. Altenpflege ist Akkord- und Knochenarbeit. Die Belastungen sind um einiges höher, als in der Krankenpflege. Wieso sollte man sich das künftig noch antun, wenn man ebenso in der Klinik willkommen ist? Und zwar nicht wie jetzt akzeptiert, sondern vollwertig und mit allen beruflichen Entwicklungschancen. Mehrere Berufe zusammenzuwürfeln wird immer zu Lasten der Qualität gehen.

Was sind aus deiner Sicht die größten Unterschiede zwischen den Berufen?

Der Hauptunterschied ergibt sich aus dem Aufgabengebiet. Die Krankenpflege ist mehr auf Diagnostik und Therapie ausgelegt, wohingegen die Altenpflege eher psychosozial und palliativ ausgerichtet ist. Im Krankenhaus zählt eine rehabilitative Pflege eher auf gerontologischen Stationen. Die DRGs zwingen zu kurzen Aufenthalten. In der Altenpflege begleitet man die Bewohner bis zum Tod, was einfach eine andere Arbeit ist.

In anderen Ländern gibt es seit jeher nur eine pflegerische Ausbildung. Wieso denkst du, dass es in Deutschland nicht funktioniert?

Die Diskussionen in diversen Facebook-Gruppen und meine Berufs- und Lebenserfahrung zeigen, dass es deutliche Unterschiede gibt. Altenpfleger dürfen schon lange gleichwertig im KH eingesetzt werden, jedoch ist dies immer noch die Ausnahme. Die Ausbildung im Ausland ist kaum mit unserer zu vergleichen. Häufig ist es ein Studium, das auf Diagnostik und Behandlungspflege ausgelegt ist. Zudem gibt es klassische Altenheime wie wir sie kennen auch eher selten.

Neben deiner Arbeit bist du Aktivist bei „Pflege am Boden“. Warum engagierst du dich dort?

Meiner Meinung nach ist PaB ein steter Tropfen, der nachhaltig und immer wieder auf die Missstände in der Pflege aufmerksam macht und somit die Politik in Zugzwang bringt. Was man ja auch an nahezu allen Wahlprogrammen erkennen kann. Nun ist die Politik am Zug ihre Versprechen auch umzusetzen.

 

„Mindestgehalt auf 3.000 Euro brutto setzen“

 

Außerdem bist du einer der Administratoren der Facebook-Gruppe „Altenpflege“. Wie bist du dazu gekommen?

Ich habe mich sehr in verschiedenen Gruppen engagiert. Irgendwann kam die Administratorin der Gruppe „Altenpflege“ auf mich zu und fragte, ob ich sie unterstützen könnte. Da ich in den 1:1 Nachtdiensten häufig Leerlauf habe, kam ich dem Wunsch gerne nach. So kann man etwas die Themen steuern und pflegepolitische Themen in den Vordergrund stellen.

Stell dir zum Schluss vor, du wirst Bundesgesundheitsminister. Welche Sofortmaßnahmen ergreifst du, um die Situation der Pflege zu verbessern?

Ich würde das Mindestgehalt auf 3.000 Euro brutto setzen, massiv Geld für die Anwerbung neuen Personals ausgeben und versuchen einen Schlüssel von 1:10 umzusetzen. Außerdem würde ich die Anerkennung ausländischen Personals erleichtern, sofern sie gute Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen.