Uli & die Demenz: Wenn der Ehepartner dement wird

Los lassen! Will ich das überhaupt?

Wenn der Ehepartner dement wird, dann ist das eine große Herausforderung
„Ich bin mit meiner Frau überfordert“, erzählt Willi. Der Ehemann kocht, putzt und bügelt. Nebenher geht er liebevoll auf seine demente Partnerin ein. Aber: Etwas alleine unternehmen? Nur er? Ohne seine Frau? Nein, das will er nicht. (Foto: Fotolia)

Willi macht sich Sorgen um seine Frau. Sie ist dement. Der Alltag überfordert sie. Vorhin ist sie in die Küche gegangen. Sie wollte Nudeln kochen. Dann kam Willi in die Küche. Und seine Frau schälte Kartoffeln. Wie kann Willi ihr helfen? Sie braucht ihn doch. Weil sie so überfordert ist. Am meisten hilft Willi ihr vielleicht, wenn er sich um sich selber kümmert.

Wir gehören zusammen

„Vater, mach doch mal etwas, um Kraft zu tanken“, rät Willis Tochter. Sie sieht, dass ihr Vater sich Tag und Nacht um seine demente Ehefrau kümmert. Und dass ihn das fordert, manchmal überfordert. Sie rät ihm weiter: „Geh spazieren oder lese ein Buch. Sammle Kastanien oder trinke ein Bier mit einem Freund.“ Willi erwidert: „Aber bei allem denke ich an meine Frau. Draußen im schönen Herbstnebel denke ich: Das würde ihr jetzt auch gefallen. Wenn ich Kastanien sammle, erinnere ich mich: Damit würde sie jetzt sicher die Wohnung gerne dekorieren. Ich möchte gar nichts ohne meine Frau machen. Ich liebe sie.“

Liebe und Abstand – geht das denn?

Als ich von Willi hörte, ist mir eine andere Angehörige eingefallen. Sie ist zusammen gebrochen. Nicht, weil sie mit ihrem dementen Partner überfordert war. Nein, sie hat ihn mehr als zehn Jahre lange zuhause gepflegt. Dann ist er verstorben. Erst danach ist besagte Frau zusammen gebrochen. Also nicht wegen der vielen Arbeit. Sondern, weil ihr der Sinn im Leben fehlte. Über zehn Jahre hatte sie ihren Mann gepflegt. Nun fehlte ihr plötzlich die Lebensaufgabe. Sie wusste nicht mehr, wofür sie lebt. Es gab keine Welt mehr für sie außerhalb ihres Ehemannes.

Willi & ich

Ich kann übrigens gut nachvollziehen, wie es den Willis geht, die ihre dementen Partner betreuen. Sie lieben ihre Partner. Und wollen alles tun, damit es ihnen gut geht. Mir würde es in seinem Fall auch schwer fallen, meine Frau anderen Menschen anzuvertrauen und alleine weg zu gehen. Ich möchte sie nicht zu vielen Wechseln aussetzen. Schließlich weiß ich, dass es das Beste für einen dementen Menschen ist, wenn er ein stetiges Umfeld hat, in dem es nicht dauernd alles ändert. Ich liebe meine Frau. Und ich möchte bei ihr sein. Auch in schweren Stunden.

Dennoch: Los lassen

Als ich mit Willi gesprochen habe, dachte ich: Ihm täte es gut, wenn er los lässt. Wenn er auch mal Abstand bekommt. Wenn er weg geht von seiner Ehefrau. Wenigstens einmal kurz. Wenn er die Wohnung verlassen kann im Wissen: Jetzt kümmert sich jemand um meine Partnerin. Oder wenn er seine Frau für einen Tag in der Woche in die Tagespflege bringen kann – oder für zwei Wochen in die Kurzzeitpflege.

Also – ich kann Willi verstehen. Und es würde mir so wie ihm ergehen. Und wenn ich selber einmal in diese Situation komme, möchte ich, dass mir jemand sagt: „Du musst los lassen. Kümmere dich auch um dich selber. Mache mal etwas, das dir gefällt. Lese in Ruhe die Zeitung. Trinke eine Tasse Kaffee. Oder sitze einfach mal nur da und schaue den Wolken zu. Ungestört, eine Stunde lang.“ Ich wünsche mir, dass mir dann jemand den Rücken frei hält – und sich um meine Frau kümmert. Damit ich selber Kraft tanken und mich um mich selber kümmern kann. Und ich wünsche mir, dass ich in dieser Situation merke, dass das das Beste ist für mich. Und für meine Frau.