Rezension: Bewegt euch!

Streitschrift für eine würdevolle Pflege

Cover "Bewegt euch!"
Bild: Mabuse-Verlag

 

Die Situation der Pflege in Deutschland ist verheerend: Der Pflegenotstand weitet sich aus, der Fachkräftemangel ist in fast jedem Haus spürbar. Grund genug für die Aktivisten von Pflege in Bewegung (PiB) den Blick auf das marode System zu lenken. Auf die bundesweite Gefährdungsanzeige und das Strategie-Papier „Zukunft(s)Pflege – 12 Strategien für eine Highroad der Pflege in Deutschland“ folgt nun die Streitschrift „Bewegt euch!“, die in Zusammenarbeit mit dem Mabuse-Verlag entstanden ist.

Autoren mit fachlicher Expertise

Unterstützt werden die Protagonisten des Vereins durch renommierte Experten : So sind neben den Vorsitzenden Roger Konrad und Marcus Jogerst-Ratzka der ehemalige Heimbetreiber Armin Rieger, CareSlammerin Yvonne Falckner, Altenpflege-Experte Michael Thomsen und die Vizepräsidentin der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz Sandra Postel mit von der Partie. Auch Angehörige wie Reinhard Leopold und Kornelia Schmid liefern ihren Teil zum systemkritischen, aber lösungsorientierten Buch.

Geschichten aus der Praxis

 

„Es gab zwar schon länger die Idee, angelehnt an das Buch „Empört Euch!“ von Stéphane Hessel, eine Diskussionsgrundlage für die Pflege in Deutschland zu liefern. Den Anlass dazu gab letztlich ein kreativer Austausch mit Yvonne Falckner in Berlin“, sagt Roger Konrad von PiB. Alle Geschichten bieten Einblicke in die Abgründe der Pflege und zeigen, warum es überfällig ist zu Handeln. Zusätzliches Material wie der ICN-Kodex oder die Pflege-Charta ergänzen die Berichte.

Breites Spektrum an Themen

Die Themenauswahl bildet aus Sicht der professionellen Pflege das Spektrum relevanter Inhalte gut ab. Das medial zuletzt stark beachtete Thema Gewalt bekommt ebenso seinen Raum , wie die Dokumentationspflicht. Zudem greifend die Autoren Würde, Sprache und Haltung von Pflegenden in den Texten auf. Klassisch berufspolitische Themen wie die Generalistik und die Pflegestärkungsgesetze ploppen ebenso immer wieder auf. Die 112-Seiten starke Streitschrift verdient ihren Namen. Wer mehr Komplexität wünscht, muss Fachliteratur wälzen.

Meine Aha-Erlebnisse

Überhaupt hatte ich beim Lesen von „Bewegt euch!“ viele Aha-Erlebnisse. Etwa, wenn Reinhard Leopold erklärt, dass Gewalt in der Pflege häufig aus Angst nicht angezeigt wird. Oder wenn er dafür plädiert, sich die Fehlersuche nicht zu leicht zu machen: „Die Lösung liegt eben nicht in der Schuldzuweisung, sondern in der Ermittlung der wahren Hintergründe, mehr Aufklärung und Unterstützung der Betroffenen“. Sandra Postel hingegen appelliert direkt an mein Berufsethos, wenn sie schreibt „Wir wollen würdevoll pflegen, und deshalb betrifft Würde uns alle, unabhängig vom Setting und unabhängig von der Zielgruppe“. Und Armin Rieger fasst in klaren Worten zusammen, was ich Kollegen seit Jahren unablässig predige: Nicht durchgeführte Leistungen zu dokumentieren ist eine Straftat. Dass es sich um gängige Praxis handelt, muss ich sicher niemand erklären. 

Fazit

„Bewegt euch!“ ist ein Buch, das seinem Titel gerecht wird. Es will aufrütteln, informieren und bewegen. Die zahlreichen Geschichten bieten dabei schwere Kost in leicht verdaulichen Portionen. Auch der Appell an die Pflegenden ist eindeutig: Es wird Zeit, dass Pflege endlich selbst in Bewegung kommt, wenn sie etwas verändern will.

Die Streitschrift ist ab dem kommenden Samstag zum Preis von 9,95 Euro unter anderem direkt beim Mabuse-Verlag erhältlich. Aus diesem Anlass findet am 11. Mai ab 15 Uhr in der Berliner Wannsee-Schule eine öffentliche Buchvorstellung mit pflegepolitischer Diskussion statt. Eine bundesweite Lesereise soll folgen.