Eine Aktion mit Licht und Schatten

Gastkommentar von M. Jogerst-Ratzka und Y. Falckner

Licht und Schatten
Bild: pexels.com

Eine konzertierte Aktion?

Die Pflege hat auf der politischen Agenda einen der vorderen Plätze eingenommen. Nur so können wir uns erklären, dass drei Bundesministerien versuchen, Maßnahmen gegen die Pflegekatastrophe zu entwerfen. Betrachten wir diese, gibt es Licht und Schatten.

Geht es den Ministern um nachhaltige Veränderungen oder nur darum, Altes durch neues Marketing zu verkaufen? Das wäre verheerend, da die bunten Imagebilder nichts mit der Realität in den Pflegheimen zu tun haben. In der Folge flüchten junge Menschen wie gehabt in oder nach der Ausbildung aus dem Beruf. Nachhaltigkeit sieht anders aus.

Gesundheitsminister Jens Spahn stellt richtig fest, dass es in der Pflege eine tiefe Vertrauenskrise gibt und die Situation gefährlich ist. So eine Analyse hätten wir uns schon von den beiden Vorgängern gewünscht. Die Situation ist seit zehn Jahren bekannt und nimmt stetig an Fahrt auf. Das ist der größte Schatten: Der Pflegezug rast ungebremst in sein Unheil.

Es scheint, dass die jahrelange Untätigkeit vertuscht werden soll. In den letzten Monaten setzte deshalb ein Run auf Auszubildende oder junge Pflegefachkräfte ein, die als „Retter der Pflege“ etabliert werden. Auf Fachkräfte, die Zeugen des Abbaus sind, wird hingegen nicht gehört. Und das, obwohl sie unter teils katastrophalen Bedingungen Schüler anleiten und ausbilden.

Spricht die Bundesregierung von einer konzertierten Aktion, stellt sich die Frage was sie damit meint. Die Rede sollte von einer „beabsichtigten“ konzertierten Aktion sein. Denn Maßnahmen sind in der Ankündigung keine enthalten. Die Protagonisten wabern in Wunschvorstellungen, die ein Jahr lang in Arbeitskreisen zerredet werden. Dabei sitzen Freund und Feind beisammen. Diejenigen, die verantwortlich für die Misere sind. Wir von Pflege in Bewegung wurden nicht eingeladen, obwohl wir mit Konzepten und neuen Wegen immer wieder auf die Politik zugehen.

Sind wir unwissend?

Wir sind es in den meisten Punkten nicht. Das beginnt mit den Problemen in der Ausbildung, die nicht mit dem Pflegeberufereformgesetz gelöst wurde. Zumindest nicht für die Altenpflege. Auch ist weiterhin unklar, wie Pflege künftig finanziert werden soll. Und es findet sich in einer völlig ungeklärten Situation der Personalschlüssel wieder. Ein Flächentarifvertrag macht noch kein Lohnplus im notwendigen Umfang. Der totgeschwiegene vierte Arbeitsmarkt in den Haushalten von Pflegebedürftigen darf nicht alternativlos sein. Und Leitungskräfte in den Pflegeeinrichtungen dürfen nicht nach kurzer Zeit überarbeitet zusammenbrechen oder im Burnout landen.

Wir haben die richtigen Fragen und vermeintlich richtigen Antworten schon lange auf dem Tisch. Wenn drei Ministerien zusammen an Lösungen arbeiten, könnte man tiefe Ratlosigkeit vermuten. Es ist aber wahrscheinlich, dass konkurrierende Zuständigkeiten und Märkte zusammengeführt werden. Es muss klar sein, dass nicht jeder Mensch in die Pflege integrierbar ist. Wir brauchen Menschen, die aus freien Stücken in die Pflege kommen. Es muss um Nachhaltigkeit gehen und nicht um die Arbeitslosenstatistik. Eine weitere Taylorisierung in leidlich qualifizierte Hände führt zum Abbau von Pflegequalität.

Wo ist Licht?

Licht sehen wir in der Absicht, einen Flächentarifvertrag einzuführen und den Pflegeberuf cooler zu machen. Der Begriff ist zwar unglücklich gewählt und attraktiv wäre das bessere Attribut. Man kann es aber als Bonmot auffassen. Eine Abkühlung wird angestrebt, in einem Beruf, in dem man täglich verbrannt wird. Licht sehen wir auch in der Absicht, Einreise und Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland zu vereinfachen. Warum über diese Maßnahmen ein Jahr beraten werden soll, ist für uns nicht einsehbar.  Sie gehen zwar in die richtige Richtung, reichen aber keinesfalls aus, um die Probleme zu lösen.

Marcus Jogerst-Ratzka und Yvonne Falckner
Bild: Olivier Gonner, Pflegephiliosophischer Salon

Marcus Jogerst-Ratzka

Krankenpfleger,
Geschäftsführer mehrerer Pflegeeinrichtungen,
Stellv. Vorsitzender Pflege in Bewegung e.V.

 

Yvonne Falckner

Krankenschwester,
Initiatorin CareSlam,
Dozentin Psychiatrie und Gerontopsychiatrie
Trauerbegleiterin VEID,
Interkulturelles Training Xenos,
Kulturgeragogik i.A. FH Münster