Impulsessay: Ich kam, ich sah, ich pflege

Das Schöne in der Pflege

Fußspuren im Sand
Pflege hinterlässt Spuren (Bild: pixabay.com)

Ein paar Meter in meinen Schuhen

Ich bin Veronika. Mutter, Frau, Studentin und Gesundheits- und Krankenpflegerin, diese Rollen machen mich aus. Warum stehe ich jeden Morgen auf? Was treibt mich an? Wie erkläre ich Freunden, was ich mache? Und warum tue ich mir das an?

Ich arbeite in der Gastroenterologie. Kein einfacher Bereich. Die Klienten sind so vielfältig, wie ihre Bedürfnisse. Es ist nicht so, dass ich keine Wahl hätte, oder nichts anderes könnte. Ein paar Mal habe ich mich beworben, um mir zu beweisen, dass ich wirklich eine Wahl habe.

Liebe zum Wissen

Neulich hatte ich eine Klausur: Pflegewissenschaft. Ich weiß nicht, ob ich es mag. Jedenfalls blieb ich an den Formen pflegerischen Wissens hängen. Empirisches, ethisches und personenbezogenes Wissen kannte ich. Was aber war ästhetisches Wissen?

Meine erste Assoziation war Berufung. Aufopferndes Arbeiten für Gotteslohn. Mag sein, dass das eine Motivation darstellt. Mein Weg ist es nicht. Ich bin zu unperfekt, zu sehr Freigeist, Agnostikerin, und Philosophin. Dann stieß ich auf eine Definition, die mir gefiel: Ästhetik als Form des Wissens, die kreative, einzigartige Eigenschaften des Pflegeberufs beschreibt. Das ist intrinsisch. Dafür muss man nicht berufen sein. Ich hätte auch eine gute Soldatin oder Ärztin abgegeben. Aber: Ich will pflegen! Niemand hat das bestimmt, niemand hat mich auserwählt. Ich habe es selbst entschieden. Am Anfang fiel es mir schwer, das in Worte zu fassen. Denn:

  • Pflege ist kompliziert. Pflege braucht Persönlichkeiten, die viel können. Es wird nie langweilig. Unterfordern geht fast nicht.
  • Pflege ist vielfältig. Es gibt viele Möglichkeiten für persönliches Wachstum. Und es gibt für fast jeden Menschen eine Nische.
  • Pflege ist formbar. Ich kann mein Umfeld mit wenigen Mitteln verändern. Ich kann spielen und ausprobieren.
  • Pflege kann Tradition, Erneuerung, Stillstand, Rückschritt und Fortschritt sein.

Stolz auf Station

Als Pflegeschülerin hatte ich Vorbilder. Ich habe ein Bild meines Berufs verinnerlicht, demich nicht gerecht geworden bin und wollte einen Pflexit. Ich begann mit dem Studium und fand zurück zu meinen Wurzeln. Es musste doch jenseits der Berufung einen Grund geben, warum ich pflege.

In meiner Karriere habe ich häufig das Wort „Danke“ gehört. Ich habe es als Nettigkeit verstanden. Irgendwann fragte ich mich, was der Erfolg meiner Arbeit ist. Ich kann weder mit hauswirtschaftlichen Qualitäten glänzen, noch mitmeinem Zeitmanagement. Aber jeder Pflegende ist zugleich Therapeut. Es gibt nicht den einen richtigen Weg für unsere Klienten. Den Weg, den ich anbiete, ist einzigartig und wertvoll.

Für mich und meine Klienten geht es um Kongruenz. Meine Haltung und meine Vision stimmen mit dem überein, was ich mache und was ich bewirke. Aber: Ich bin davon unabhängig und muss es nicht. Ich könnte auch in anderen Bereichen eine Vision entwickeln. Das genieße ich.

Emanzipatorisches Wissen in der Pflege

Mein Spielraum in der Gastroenterologie ist enorm. Mein Wissen und meine Erfahrung in diesem unbeliebten Bereich sind das, was nötig ist, um zu gestalten. Ich muss nicht mit meinem Umfeld zufrieden sein und auch nicht mit jedem Tag. Aber ich habe das Wissen, alles so zu gestalten, dass es meinem Ideal entspricht. Und ich kann selbst etwas verändern.

Wer sagt, dass sich die Politik kümmern muss? Oder Vorgesetzte? Oder Gott? Eine Idee, für die wir über das Pensum hinaus arbeiten, bedeutet nicht Ehrenamt. Sie bedeutet Begeisterung, mit der wir andere anstecken. Emanzipation bedeutet Unmut zu äußern und zu protestieren. Aber eben auch Verantwortung, Wissen, Begeisterung und Eigeninitiative.

Ich habe in einem 110 Jahre alten Haus meinen Stempel hinterlassen. Einen Geist, an den sich viele noch Jahre erinnern werden. Ich muss diese Verantwortung nicht übernehmen, aber ich darf es. Und ich kann es. Und ich möchte, will und werde es. Zumindest in meinem Umfeld. Das ist schon sehr viel.