Uli & die Demenz: Brief einer dementen Frau

Danke, dass du mich pflegst!

Brief einer dementen Frau.
Ein Brief einer dementen Frau an alle Pflegekräfte (Bild: pixabay.com)

Liebe Pflegekräfte,

ich danke euch dafür, dass ihr mich pflegt. Vielleicht macht ihr euren Beruf gern. Vielleicht seid ihr da auch nur irgendwie rein gerutscht – beispielsweise, weil eure Eltern schon in der Pflege waren. Aber: Wie auch immer es war: Jetzt seid ihr für mich zuständig. Und ich danke euch dafür, dass ihr da seid. Und dass ihr da geblieben seid.

Ich bin abhängig davon, dass andere Menschen mich waschen und pflegen – und für mich denken. Ich kann es nicht mehr. Viele Menschen könnten diese Situation missbrauchen. Weil ich es niemandem so richtig sagen kann, würde nie jemand erfahren, was ihr in meinem Zimmer genau macht. Umso mehr danke ich euch dafür, dass ihr mich umsorgt und nach mir schaut. Und dass ich mich bei euch als wertvoller Mensch fühlen kann. Danke, dass ihr mir mit Respekt und Achtung begegnet.

Es ist schön, wenn ich nicht ausgelacht werde – nur weil ich mal meine Unterhose über der Hose anziehe. Oder weil ich mein Wasser nicht mehr halten kann. Oder weil ich nicht mehr weiß, wie ich heiße. Danke, dass ihr meine Lücken wahrneht – und sie überbrückt. Es tut gut, ernst genommen zu werden. Trotz Alter, trotz Krankheit, trotz Demenz.

Liebe Pflegekräfte, ich habe es mir nicht ausgesucht, von euch gepflegt zu werden. Und ich würde viel lieber „draußen“ sein: am Waldrand den Morgennebel beobachten, Unkraut im Garten jäten- oder wandern gehen. Mal wieder in Ruhe durch die Stadt bummeln, Mittagessen in meinem Lieblingsrestaurant, Menschen in der Fußgängerzone beobachten. Aber das kann ich nicht mehr. Denn jetzt bin ich hier. Ich bin euch ausgeliefert. Ihr seid jetzt mein Hirn, meine Hände und meine Füße. Ich kann nur da hin gehen, wo ihr hin geht. Nur das kann ich berühren, was ihr berührt. Und ihr müsst sogar für mich denken. Ich danke euch vielmals dafür, dass ihr das nicht missbraucht. Danke, dass ihr auf Augenhöhe mit mir umgeht. So wie ihr selbst gepflegt werden möchtet, wenn ihr in meiner Lage wärt. Das wollte ich euch schon lange einmal sagen: Vielen Dank.

Eure

(erfundene) demente Patientin (die es aber wirklich so geben könnte)