Mitarbeiterbindung: So halten Pflegeeinrichtungen ihre Mitarbeiter

Zeichnen attraktive Arbeitgeber aus: Christine Görzen (links) und Albrecht Bühler (zweiter von links) mit Rosemarie Amos Ziegler und Klaus Ziegler von der WGfS GmbH. Foto: WGfS

Neben akutem Fachkräftemangel klagt die Pflege-Branche über eine hohe Fluktuation. Gut ausgebildete Mitarbeiter über längere Zeit motiviert im Unternehmen zu halten, scheint eine Herausforderung zu sein. Mitarbeiterbindung lautet das Stichwort.

Carola Auer (Name geändert) hat heute ihren letzten Arbeitstag. Nächste Woche wechselt die examinierte Pflegefachkraft den Arbeitgeber. Schwer gefallen sei ihr die Entscheidung nicht. Denn in ihrem bisherigen Unternehmen, einem Seniorenheim in Niedersachsen, fühlt sich die 45-Jährige schon lange nicht mehr wohl. Zu viele unbesetzte Stellen erhöhen ihre ohnehin schon hohe Arbeitslast. Wenn überhaupt offene Stellen besetzt werden könnten, würden neue Mitarbeiter häufig während der Probezeit kündigen. Carola Auer weiß: „Auch viele langjährige Angestellte schauen sich inzwischen nach Alternativen um. Guten Pflege-Fachkräften stehen schließlich alle Türen offen.“

Top-Mitarbeiter wollen zu Top-Arbeitgebern

Wie Auers ehemaliger Arbeitgeber, kämpfen viele Pflegeheimleiter damit, dass gut ausgebildete Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. „Wer gute Mitarbeiter haben und halten möchte, muss in erster Linie ein guter Arbeitgeber sein. Und als solcher wahrgenommen werden“, sagt Christine Görzen Mitgründerin der Initiativen für Gute Arbeit (IFGA) und für Ausbildung (IFA). Mitglieder sind engagierte Arbeitgeber, denen das Wohl ihrer Mitarbeiter am Herzen liegt. Die Siegel „Top Arbeitgeber“ und „Top Ausbildungsbetrieb“ dürfen ausschließlich zertifizierte Unternehmen nach eingehender Prüfung verwenden. Eine jährlich zu erneuernde Selbstverpflichtung soll (potentiellen) Mitarbeitern garantieren, dass sie sich auf eine besonders gute Arbeitsqualität verlassen können.

Unter den ausgezeichneten Unternehmen sind auch mehrere Pflegedienstleister. Wie zum Beispiel die Wohngemeinschaft für Senioren (WGfS GmbH) in Filderstadt bei Stuttgart. Hier umsorgen 250 Mitarbeiter mehr als 150 Bewohner in drei Häusern und zwei Wohngemeinschaften. Geschäftsführerin Rosemarie Amos-Ziegler betont: „Unsere Mitarbeiter sind unser höchstes Gut. Wir stehen jederzeit hinter unseren Angestellten. Sowohl in geschäftlicher, als auch in privater Hinsicht.“ Viele Mitbewerber aus der Branche klagen über hohe Fluktuation und Fehlzeiten, verändern aber nichts an internen Abläufen. Dabei ließe sich nach Meinung von Amos-Ziegler so manche Kündigung verhindern. Etwa durch gezielte Stressbewältigung: Zwölf Arbeitsstunden pro Jahr kann jeder ihrer Mitarbeiter gratis Ernährungs-, Sport- oder Entspannungskurse besuchen – während der Arbeitszeit.

Wer sich wohl fühlt, bleibt

Um alle Angestellten langfristig zu motivieren und im Unternehmen zu halten, beschäftigt Amos-Ziegler eine Wohlfühlmanagerin: Die ausgebildete Sozialpädagogin hilft unter anderem den Kollegen bei privaten und beruflichen Schwierigkeiten. Besonderes Augenmerk legt die Inhaberin außerdem auf die Qualifizierung ihrer Führungskräfte. „Vorgesetzte sind Multiplikatoren“, so die gelernte Krankenpflegerin, „geraten sie in eine emotionale Schieflage, tragen sie den Stress ins Team.“ Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, hat die Unternehmerin ein Supervisionsprogramm etabliert. Mindestens vier Tage pro Jahr begleitet ein externer Persönlichkeitstrainer jede Führungskraft.

Auch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht die WGfS: Es gibt flexible Arbeitszeiten, verschiedene Teilzeit-Arbeitsmodelle und die Möglichkeit, Wünsche bezüglich der Dienstpläne zu äußern. Eltern erhalten Betreuungszuschüsse und es gibt Kooperationen mit örtlichen Kindergärten. Findet sich einmal niemand, der den Nachwuchs versorgt, können Fachkräfte ihre Kinder mit auf die Station bringen. Für Verwaltungsangestellte gibt es spezielle Eltern-Kind-Arbeitsplätze sowie die Option, im Homeoffice zu arbeiten. „Mütter und Väter, die ihre Kinder gut behütet wissen, arbeiten motivierter“, begründet Amos-Ziegler ihr Engagement, das mit dem Prädikat „Familienfreundliches Unternehmen“ ausgezeichnet wurde.

Auszeichnungen ziehen Mitarbeiter an

„Es war und ist viel Arbeit, sich stets weiterzuentwickeln und dahin zu kommen, wo wir heute sind“, sagt Amos-Ziegler. Deshalb sei es ihr wichtig, öffentlich als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Dazu tragen die erhaltenen Auszeichnungen, Zertifikate und Preise bei. Neben den  IFGA- und IFA-Siegeln „Top Arbeitgeber“ und „Top Ausbildungsbetrieb“, erhielt die WGfS auch eine Fünf-Sterne-Auszeichnung im vom deutschen Wirtschaftsmagazin Capital durchgeführten Wettbewerb „Beste Ausbilder“. Außerdem ist das Unternehmen beim deutschen Preis des Mittelstandes regelmäßig unter den Finalisten. Laut einer Bewertung des Magazins Focus Online in Kooperation mit dem Arbeitgeber-Bewertungsportal kununu gehört die WGfS im Bereich Gesundheit und Soziales zu den zehn besten Arbeitgebern Deutschlands.

„Fachkräfte in der Pflegebranche sind ein knappes Gut. Deshalb sind Einrichtungen gefordert, sich als gute Arbeitgeber zu profilieren“, betont Christine Görzen. Auszeichnungen, Zertifikate und Siegel, verbunden mit einem stringenten Marketingkonzept, könnten der Schlüssel dafür sein, nachhaltig den Personalbedarf zu sichern. „Zertifizierte Top-Arbeitgeber sollten aktiv dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit davon erfährt“, so die Geschäftsführerin. Um Erfolge bekannt zu machen, eignen sich etwa die Firmen-Homepage, Social-Media-Kanäle oder Pressemitteilungen.

Ausscheidenden Mitarbeitern Türen offen halten

Dennoch: Dass gute Mitarbeiter ein Unternehmen verlassen, lässt sich auch bei Top-Arbeitgebern nicht immer vermeiden, weiß Görzen. „Das ist völlig normal und hat nicht immer damit zu tun, dass sich jemand im Unternehmen unwohl fühlt.“ Sie rät Unternehmern, möglichst positiv mit Kündigungen umzugehen. Führungskräfte sollten sich bei Mitarbeitern, die das Team verlassen, für deren geleistete Arbeit bedanken, statt ihnen mit Kritik zu begegnen. Auch eine angemessene Abschiedsparty sei angebracht. „Wertschätzung geht über eine Kündigung hinaus“, so die Beraterin. Außerdem rät sie Arbeitgebern, guten Fachkräften nach Möglichkeit anzubieten, dass sie jederzeit wiederkommen können. Laut Görzen komme es bei von der IFGA ausgezeichneten Betrieben immer wieder vor, dass Angestellte, die das Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen verlassen haben, nach einiger Zeit zurückkehren. „Ein Mitgliedsbetrieb konnte sich in einem Jahr einmal über sechs glückliche Rückkehrer freuen.“

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