Uli & die Demenz: Das Basilikum

Was ich im Aldi für die Demenzbetreuung gelernt habe

Basilikum
Was ein Basilikum mit Demenz zu tun hat? Wer bei Aldi einkauft, der kann was fürs Leben lernen.

Die Kasse liegt hinter uns. Raus auf den Parkplatz. Die kleine Tochter im Einkaufswagen. Beim Herausgehen aus dem Aldi fällt meiner Frau auf: „Wäschekörbe sind im Angebot.“ Schon schlüpft sie durch den Eingang wieder in den Discounter. Ich finde mich derweil alleine auf dem Parkplatz wieder. Doch, halt. Ich bin gar nicht allein. Vor mir der volle Einkaufswagen. Voller Gemüse, Windeln und Schokolade. Und mittendrin sitzt unsere kleine Tochter. Gerademal 17 Monate alt. Das Problem daran: Sie sitzt nicht nur ruhig da. Sondern sie zupft. Sie zupft am Basilikumstrauch, den meine Frau gekauft hat. Ein Blatt nach dem anderen zupft sie weg. Sie lächelt dabei bis zu beiden Ohren.

Gleich beginne ich, pädagogische Maßnahmen einzuleiten. Denn ich denke: Wir haben den Strauch nicht gekauft, damit unsere Tochter ihn auseinander rupft. Die Blätter sollen daran frisch bleiben. Also: Weg mit dem Strauch. Und schnell schiebe ich eine Erklärung hinterher. Die Erklärung hilft nicht weiter. Unsere Tochter versteht sie nicht. Die Kleine heult. Und ich stehe wie ein Depp auf dem Aldi-Parkplatz. Mit lädiertem Basilikum-Strauch und heulender Tochter.

Da schießt mir ein Gedanke durch den Kopf: Vielleicht ist es jetzt gar nicht das Wichtigste, dass jedes Basilikum-Blatt erhalten bleibt. Könnte es sein, dass es im Leben um mehr geht als um Basilikum? Wäre es vielleicht möglich, dass es jetzt das Wichtigste ist, dass unsere Tochter glücklich ist. In zehn Jahren werde ich mich wohl nicht mehr an den Basilikum-Strauch erinnern. Aber vielleicht daran, welche Gefühle die Zeit allein mit meiner Tochter auf dem Parkplatz zurück gelassen hat. Also beschließe ich: „Mädchen, zupf weiter an dem Strauch.“ Ich stehe da. Und schaue ihr zu. Fünf Minuten, zehn Minuten. Sie zupft und zupft. Und ist glücklich dabei. Der Strauch sieht inzwischen ziemlich krüppelig aus. Aber macht ja nichts – ich kann die Blätter ja nachher gleich einfrieren. Ich denke: „Das macht einen Unterschied. Zehn Minuten heulen. Oder zehn Minuten zupfen, glücklich sein und die Zeit vergessen.“

Wie ist das bei Menschen mit Demenz? Da ist es vielleicht manchmal auch nicht so schlimm, wenn sie etwas tun, das nicht in mein Schema passt. Wenn sie die Schublade ausräumen ist doch vor allem wichtig, dass sie sich dabei nicht verletzen. Und wenn sie sich aufregen ist es wichtig, dass kein anderer Schaden nimmt. Was ich doch alles von einem Strauch Basilikum auf dem Aldi-Parkplatz lernen kann.

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