Flüchtlinge sind keine Lückenbüßer

Pfleger-Kommentar zum Artikel „Flüchtlinge zu Pflegepersonal ausbilden“

Flüchtlinge als Rettung im Pflegenotstand? (Foto: Fotolia)

Nach den Schlecker-Frauen sollen nun also Flüchtlinge die Pflege retten. Der Vorschlag von Herrn Rüeck, Asylsuchende in der Pflege einzusetzen, ist aus seiner Sicht nachvollziehbar. Dennoch ist er gleichermaßen eine Bankrotterklärung für seine pflegepolitische Kompetenz, als auch ein populistischer Schlag ins Gesicht von professionell Pflegenden und Flüchtlingen.

„Pflegen kann jeder“

Was Herr Rüeck fordert, zeugt nicht nur von wenig Feingefühl. Es zeigt auch sachlichen Unverstand, Überforderung und Hilflosigkeit. Einerseits implizieren seine Aussagen wieder einmal das berühmte “Pflegen kann jeder”. Warum also nicht gleich die Ausbildung abschaffen, die eben begonnene Akademisierung rückgängig machen und die Profession wieder entprofessionalisieren?

Gute Gastgeber verlangen keine Gegenleistung

Christian Hübner engagiert sich bei ver.di und dem DBfK. (Foto: privat)

Andererseits sind Flüchtlinge in erster Linie unsere Gäste. Weil wir es uns in Deutschland leisten können, Notleidende aufzunehmen. Weil wir über genügend Wohlstand verfügen, um diesen mit jenen zu teilen, deren Existenz und Leben in ihrem Heimatland bedroht sind. Menschen, die häufig nichts mehr besitzen, als das, was sie bei ihrer Flucht am Leib getragen haben. Sie suchen in unserem Land Sicherheit und politische Stabilität. Als Gastgeber Gegenleistungen von traumatisierten Menschen zu verlangen, die sich oft genug Anfeindungen ewig gestriger Gesinnungsgenossen ausgesetzt sehen, ist mehr als fragwürdig.

Unterstützenswert – auf freiwilliger Basis

Damit wir uns richtig verstehen: Sicher hat niemand etwas dagegen, wenn Flüchtlinge, deren Qualifikationen dem Anforderungsprofil entsprechen, freiwillig und gegen angemessene Bezahlung in der Pflege tätig werden.

Sicher hat auch niemand etwas dagegen, wenn Flüchtlinge sich entscheiden, in Deutschland zu bleiben und hier freiwillig eine Ausbildung in der Pflege zu machen. Beides ist in jedem Fall zu unterstützen.

Pflegende werdet aktiv!

Doch gezielt in Flüchtlingsunterkünften zu werben, ist nicht der geeignete Weg. Flüchtlinge sind keine Lückenbüßer. Sie müssen nicht das Dilemma ausbaden, das Politiker wie Herr Rüeck verursacht haben und das die Pflege seit Jahrzehnten in großen Teilen wehrlos und jammernd über sich ergehen lässt. Bleibt die Frage, wer als nächster die Pflege retten soll. Strafgefangene? Pleitebanker? Abgewählte Abgeordnete? Wenn wir die Pflegemisere nachhaltig lösen und den Pflegeberuf wieder attraktiv machen wollen, gibt es aus meiner Sicht nur eine Lösung: Pflegende müssen sich selbst und ihre berufliche Kompetenz endlich aktiv in den politischen Meinungsbildungsprozess einbringen. Also packen wir’s an!