Palliativpflege: Neues Gesetz soll’s richten

Gröhe lässt Krankenkassen zahlen

Die Palliativversorgung Sterbender soll verbessert werden (Foto: Fotolia)

Sterbende in Deutschland sollen besser versorgt werden. Das will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe mit einem Gesetz für Hospiz- und Palliativpflege erreichen. Einen Entwurf legte er letzte Woche vor. Bis zu 200 Millionen Euro mehr sollen künftig für Hospiz- und Palliativpflege zur Verfügung stehen. Bezahlen sollen die Krankenkassen.

Palliativversorgung erleichtert schwerkranken Menschen die restliche Lebenszeit. Schmerzen werden gelindert, der Alltag so angenehm wie möglich gestaltet. Etwas, das immer wichtiger wird. Nicht zuletzt, weil Deutschland altert. 2013 sind laut Statistischem Bundesamt rund 893.000 Menschen gestorben. 264 Millionen Euro kostete die Pflege Sterbenskranker voriges Jahr. Hospizdienste schlugen mit weiteren 144 Millionen Euro zu Kasse.

Bundesrepublik tut zu wenig

Trotzdem ist Deutschland bei der Betreuung unheilbar Kranker mehr schlecht als recht aufgestellt. Das glauben die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. In einer gemeinsamen Stellungnahme warfen sie der Palliativmedizin hierzulande „erhebliche Defizite“ vor. Besonders erschreckend seien große regionale Unterschiede. „Der Zugang zur Palliativversorgung ist weder gleich noch gerecht“, kritisiert Medizinprofessor Hans-Peter Zenner. Es gebe zwar Orte, an denen sich genug Spezialteams um Betroffene kümmern. Auf der anderen Seite stünden aber Landstriche ganz ohne Angebote. Deshalb sieht der Tübinger die Bundesrepublik im internationalen Vergleich allerhöchstens „im Mittelfeld“. Nicht einmal die Hälfte von geschätzt 80.000 schwerkranken Patienten, erhält demnach die nötige Behandlung. Großbritannien oder die USA betreuen Sterbenskranke wesentlich besser, meint Zenner.

Bundesweites Konzept fehlt

Ein weiteres No-Go laut Palliativmediziner Friedemann Nauck: Es gibt kein einheitliches Finanzierungskonzept. Jedes Bundesland regelt selbst, in welcher Höhe und von wem Palliativmaßnahmen bezahlt werden. Hier tut sich eine weite Kluft auf. Während Kranke in Bayern und Hessen auf ein großes Leistungsspektrum zugreifen können, tun sich Leidensgenossen in Niedersachsen schwer. Nauck ist sich deshalb sicher: „Wir brauchen eine nationale Palliativstrategie.“ Anders lasse sich keine flächendeckende Versorgung organisieren. Kollege Zenner fordert außerdem, mehr Geld für die Forschung.

Das Gesetz, dass im Herbst verabschiedet werden soll, dürfte Experten also aufatmen lassen. Regierungskreisen in Berlin zufolge wird es noch vor der geplanten Neuregelung für Sterbehilfe in Kraft treten. Gröhe gehe es vor allem darum, Betroffenen Angebote anstatt Verboten zu zeigen.

Das Gesetz sieht vor:

Kliniken können Palliativstationen in Zukunft leichter eröffnen und finanzieren. Abgerechnet wird nicht mehr mittels des Pauschal-Bezahlsystems. Kliniken können frei mit Kassen verhandeln. Krankenkassen übernehmen künftig nicht 90 sondern 95 Prozent der Hospizkosten. Auch der Mindestzuschuss für stationäre Palliativpflege erhöht sich von 198 Euro auf 255 Euro pro Tag.
Um das Palliativ-Angebot gerade in ländlichen Gegenden auszubauen, soll die ambulante Palliativpflege gestärkt werden. Ganz wichtig auch: Eine bessere Vernetzung. Oft werden pflegebedürftige Patienten von vielen Ärzten, Pflegern und Seelsorgern gleichzeitig betreut. Einer weiß dabei nicht, was der andere verschreibt und rät. Medizin und Pflege sollen deshalb künftig enger zusammenarbeiten.

Ein Tropfen auf den heißen Stein

Der Deutschen Stiftung für Patientenschutz ist Gröhes Gesetzentwurf nicht umfassend genug. Er löse das grundsätzliche Problem nicht. Nämlich, dass jährlich 340.000 Sterbende in Heimen kaum Palliativbegleitung bekommen. Der Stiftung zufolge ist eine extra Pflegestufe für Sterbende die Lösung. Mindestens 600 Millionen Euro seien dafür nötig.