Pflegekräfte: Überlastet bis zum Break-Down – Teil 2

Überfordert mit Sterben und Tod

Ständig von Leid umgeben zu sein, kann Pfleger krank machen (Foto: Fotolia)

Der Umgang mit Sterben und Tod ist ein heißes Eisen im Pflegeheim. Im stressigen Arbeitsalltag bleibt keine Zeit, um liebe Bewohner zu trauern. Selbst unsere Experten sind sich uneinig darüber, wie der Königsweg aussieht.

Zeit für Abschied und Trauer

Eine gelebte Abschiedskultur in den Häuser ist laut Thomas Mäule, Theologe der Evangelischen Heimstiftung, für alle wohltuend. Seit 2006 gibt es diese in den 100 Einrichtungen des Trägers. Mithilfe eines Fragebogens darf der Bewohner schildern, wie er gerne sterben möchte. Das heißt, wer soll dabei sein, wird ein Pfarrer gewünscht und so weiter. Laut Mäule fühlen sich Mitarbeiter durch dieses Wissen sicherer. „Sie möchten den Sterbenden nach seinen Wünschen begleiten.“ Ebenso entlastend wirke die Zusammenarbeit mit Hospizvereinen. „Ehrenamtliche bringen neben ihrer Professionalität vor allem Zeit mit, die den Hauptamtlichen fehlt“, erklärt der Pfarrer. Pflegekräfte können ihrer Arbeit nachgehen und wissen Sterbende gut versorgt. Nach dem Tod gibt es Aussegnungen, an denen jeder teilnehmen kann, der sich verabschieden möchte. Ein Ritual, dass Mitarbeiter und Angehörige gleichermaßen schätzen. Mäule: „So viel Zeit muss sein, im Zweifelsfall wird dann eben an einem anderen Tag gebadet.“

Keine zehn Minuten

Martin Nestele, Altenpfleger und ver.di-Mitglied, zufolge werde aber ohnehin täglich nur „das Nötigste“ erledigt. Bei zehn bis 15 Bewohnern, die manch eine Pflegekraft allein zu versorgen hat, werde an allen Ecken und Enden Zeit eingespart. Kein Pfleger könne sich länger als zehn Minuten zu Sterbenden ins Zimmer setzen. Zwar gebe es inzwischen in nahezu jedem Heim eine Sterbekultur, doch Pflegern bringe sie wenig Erleichterung. „Wir wollen unsere Bewohner selbst begleiten. Das gehört zu unserem Beruf“, so Nestele. Tatsächlich übernehmen aber meist Hospizmitarbeiter diese Rolle. Das schüre neben Schuldgefühlen auch langwierige psychische Probleme unter dem Heimpersonal. Auf Dauer macht das krank. Acht bis elf Jahre bleiben Pflegekräfte durchschnittlich im Beruf. Jeder Dritte der Ausscheidenden geht laut ver.di aus gesundheitlichen – oft psychischen – Gründen.

Palliativmedizin gibt Sicherheit

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, setzt die Caritas auf palliativmedizinische Fortbildungen. Das heißt, Mitarbeiter lernen, Sterbende richtig zu versorgen und ihnen die letzten Wochen zu erleichtern. Sie tragen ihren Teil zur Sterbebegleitung bei: So kann ein Schluck Wein einen unangenehm trockenen Mund erfrischen oder ein geliebtes Familienfoto im Sichtfeld beruhigen. Viele Pfleger verlieren durch die Zusatzausbildung Unsicherheiten, so Andreas Leimpek-Mohler, Geschäftsführer des Verbands katholischer Altenhilfe. Mindestens fünf Tage pro Jahr darf sich eine Fach- oder Hilfskraft für solche Weiterbildungen reservieren. Zusätzlich stünden drei Tage für geistliche Bildung frei, diese würden aber selten in Anspruch genommen. Leimpek-Mohler meint: „Vermutlich wissen viele Mitarbeiter gar nichts davon.“ Nestele ist anderer Auffassung: „Selbst wenn Fortbildungsmaßnahmen vom Arbeitgeber erwünscht sind, müssen Pfleger oft ihre Freizeit dafür opfern.“ In den Häusern sei es undenkbar Mitarbeiter mehrere Tage zu entbehren. Da sich Fachkräfte Kollegen und Bewohnern gegenüber verantwortlich fühlen, verzichten sie auf freiwillige Weiterbildungsangebote oder nehmen in ihrer Freizeit teil. Ein weiteres Problem: Wer neue Konzepte kennenlernt, will diese auch ausprobieren. Das ist in den meisten Fällen nicht möglich. Ein Nacht-Cafe für Demenzkranke etwa, ist mit einer für 25 Bewohner zuständigen Nachtschwester nicht umsetzbar. „Das ist einfach frustrierend“, spricht Nestele es aus.

Der dritte und letzte Teil unserer Serie geht auf das Team als Stütze ein und erörtert langfristige Lösungsansätze.

Die Experten

Andreas Leimpek-Mohler
Geschäftsführer
Verband katholischer Altenhilfe
Martin Nestele
Altenpfleger
ver.di
Thomas Mäule
Pfarrer
Evangelische Heimstiftung

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