Streit ums Erbe: Wann pflegenden Angehörigen mehr zusteht

Ein Pflege-Tagebuch bringt Rechtssicherheit

Bei Geld hört die Freundschaft auf. Ein Testament verhindert Streit ums Erbe (Foto: Fotolia)

Acht Jahre lang pflegt Gabriela ihre demenzkranke Mutter. Zwillingsschwester Alexa wohnt 350 Kilometer entfernt, kommt nur zu Weihnachten und Geburtstagsfeiern. Trotzdem: Als die 92-jährige Greisin stirbt, behauptet Alexa, ihr stehe der gleiche Erbteil zu wie ihrer Schwester. Ein Testament gibt es nicht.

Ausgleich plus Erbe

Gabriela ist wütend: „Ich habe Mama 24 Stunden am Tag betreut. Während du Karriere als Immobilien-Maklerin gemacht hast, musste ich meinen Job aufgeben.“ Da sei es doch selbstverständlich, dass ihr eine finanzielle Entschädigung zustehe. Paragraf 2057a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gibt Gabriela Recht. Er regelt die Pflicht zu einem finanziellen Ausgleich aus der Erbmasse. Voraussetzung dafür, dass Gabriela Pflegezeiten abrechnen kann, ist, dass sie für ihre Leistungen nicht mit einem entsprechenden Entgelt entlohnt wurde und über längere Zeit gepflegt hat.

Sonderfall Schenkung

Ein geschenktes Haus etwa, schließt den Anspruch auf Ausgleich nicht aus. „Bei einer Schenkung handelt es sich nicht um ein Entgelt, da sie freiwillig und ohne Gegenleistung erfolgt“, sagt Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht (DFE). Um Streit zu vermeiden, sollte eine notarielle Urkunde klarstellen, dass es sich bei der Eigentumsübertragung um eine Schenkung und nicht um eine Gegenleistung für erbrachte oder noch zu erbringende Pflege handelt.

 Nur Kinder und Enkel gesetzlich geschützt

Paragraf 2057a spricht das Recht auf Ausgleich nur direkten Abkömmlinge des Verstorbenen zu. Also leiblichen und adoptierten Kinder oder Enkelkindern. Pflegende Schwiegerkinder, Nichten, Neffen, Eltern, Freunde und Partner haben keinen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich.

Erwerbstätigkeit spielt keine Rolle

Alexa versteht die Argumentation ihrer Schwester nicht. „Du hast doch lange vor Mamas Krankheit aufgehört zu arbeiten“, schießt sie zurück. Das stimmt. Gabriela hat ihre ehemalige Stelle aufgrund der Familienplanung aufgegeben. Geplant war, nach spätestens drei Jahren in den Job zurückzukehren. Doch die Demenz der Mutter kam dazwischen. Alexa behauptet deshalb, dass ihrer Hausfrauen-Schwester kein finanzieller Verlust entstanden sei.

Bei Erbfällen bis zum 1. Januar 2010 sei es tatsächlich notwendig gewesen, dass das pflegende Kind Einkommenseinbußen hingenommen hatte, bestätigt Steiner. „Mit einer Gesetzesänderung wurde diese Voraussetzung gestrichen, so dass pflegende Kinder mittlerweile im Erbfall noch stärker begünstigt sind“, erklärt er. Das bedeutet: Unabhängig davon, ob jemand berufstätig ist oder nicht, besteht der Anspruch. Gabriela muss also nicht beweisen, dass aufgrund der Pflegetätigkeit finanzielle Lohn- oder Gehaltseinbußen entstanden sind.

Pflege-Tagebuch hilft Erbansprüche zu verteidigen

Nach der Beerdigung setzen sich die Schwestern zusammen. Sie wollen sich vertragen und die Erbangelegenheit friedlich abwickeln. Alexa hat sich inzwischen schlau gemacht. Sie fragt ihre Schwester, nach einem Nachweis über die erbrachten Pflegezeiten. Gabriela ist verunsichert. Sie hatte nie daran gedacht, die Pflegestunden in irgendeiner Form festzuhalten. Überhaupt, wie hätte sie das überhaupt tun können?

Obwohl es keine klare gesetzliche Regelung über die Nachweisführung gibt, empfiehlt das DFE, ein ausführliches Pflegetagebuch zu führen. Darin sollte jede Pflegeleistung exakt mit Datum und Uhrzeiten dokumentiert werden. Belege über finanzielle Auslagen können ebenfalls enthalten sein. Zusätzlich sei es ratsam, einzelne Einträge vom Pflegebedürftigen gegenzeichnen zu lassen. „Auch wenn es zunächst leider sehr bürokratisch ist – am Ende bringt es Rechtssicherheit für alle Beteiligten“, so Steiner. Denn ohne Beweis könne der Pflegende, im Fall eines Einspruchs von anderen Erbberechtigten, seinen Anspruch nicht richterlich geltend machen.

Höhe der Stundensätze nicht festgelegt

Alexa und Gabriela einigen sich trotz fehlendem Pflege-Tagebuch bezüglich der Pflegezeiten. Nun stellt sich den Schwestern die nächste Frage: Welcher Stundensatz ist für Gabrielas Pflegeleistungen angemessen? In Paragraph 2057a Abs. 3 BGB legt der Gesetzgeber fest, dass der Ausgleich so zu bemessen ist, „wie es mit Rücksicht auf die Dauer, den Umfang der Leistung und auf den Wert des Nachlasses der Billigkeit entspricht“. Steiner erklärt: „Keinesfalls darf die Ausgleichszahlung dabei so hoch sein, dass sie den gesamten Nachlass aufzehrt.“ Entscheidend sei daher eine Gesamtwürdigung aller Umstände. Können sich Erbberechtigte nicht einigen, müsse ein Richter den Stundensatz festlegen. Oft werden dazu die Stundensätze ambulanter Pflegedienste herangezogen. Auch die Zwillinge einigen sich auf diese Größe.

Tipp: Pflege-Ausgleich testamentarisch festlegen

Wer seinen Kindern Ärger ums Erbe ersparen will, macht ein Testament. In diesem lässt sich laut Steiner vertraglich bestimmen, wie hoch der Ausgleich für pflegenden Angehörigen ausfallen soll. Da die gesetzliche Regelung des Ausgleichsanspruchs nur für Nachkömmlinge (und nicht zum Beispiel für Nichten, Nachbarn oder Freunde) gültig ist, kann ein Testament auch genutzt werden um diese Pflegepersonen zu begünstigen.

 Co-Autor: Otto Beier
Otto Beier schreibt einen Blog von und für pflegende Angehörige. Zusammen mit seiner Frau betreute er streckenweise drei pflegebedürftige Angehörige gleichzeitig. Die Beiers wissen, was es heißt, völlig unvorbereitet in eine Pflegesituation hineinzugeraten. Deshalb möchte Otto Beier mit seiner Website anderen Familien helfen, Fehler zu vermeiden und Zeit, Energie und Geld zu sparen. Hier geht’s direkt zum Blog.