Pflegenotstand: Auf dem Land wird es eng

Mehr Ausbildung, mehr Männer und mehr Akademisierung

Die ländliche Idylle täuscht über den Pflegenotstand hinweg.
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Pflegekräfte genießen in der Bevölkerung ein hohes Ansehen, trotzdem steigt der Pflegenotstand. Es herrscht ein eklatanter Mangel an Fachkräften. Über Jahre hinweg wurde viel zu wenig ausgebildet, analysiert Steve Strupeit, Professor an der PH Schwäbisch Gmünd. In der Stuttgarter Zeitung hat er über Pflegenotstand, ländlich Versorgungslücken und das Image von Pflegekräften gesprochen.

Lösungen für den Pflegenotstand

Zum einen habe Deutschland jahrelang die Akademisierung der Pflege verschlafen, zum anderen hafte dem Berufsbild immer noch das Klischee an, ein Hilfsberuf des Arztes zu sein. Weibliche Tugenden und die Ansicht, dass „das doch jeder kann“ hielten sich hartnäckig. Auch und gerade in der Politik. Eine Wahrheit sei zudem, dass bis zu 90 Prozent der Fachkräfte Frauen sind – nach wie vor.

Lösungen für den Pflegenotstand sieht der Direktor des Instituts für Pflegewissenschaft auf mehreren Ebenen: Zuerst müsse geschaut werden, wie Pflege mit vorhandene Ressourcen sichergestellt werden könnte. Sinnvoll sei es Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben und Hilfskräfte sowie ungelernte Pflegehelfer einzustellen. Es gehe darum, Fachkräfte zu entlasten ohne dabei Qualitätsstandards zu vernachlässigen.

Strupeit appelliert durch diese Schritte Pflegekräfte am Bett zu halten und zu verhindern, dass sie abwandern ins Management oder in die Lehre. Hilfreich sei es, den Beruf weiter zu professionalisieren und zu akademisieren. Denkbar ist für den gelernten Krankenpfleger auch, dass Fachkräfte mehr medizinische Aufgaben eigenständig übernehmen. Dringend gehören für den Pflegeprofessor mehr männliche Kollegen in die Heime und Krankenhäuser.

Versorgungslücken auf dem Land

Natürlich sieht Strupeit auch, dass ein höherer Verdienst in der Pflege höhere Ausgaben für Kranken- und Pflegekassen bedeutet. Wichtig findet er Personaluntergrenzen einzurichten. Damit die Personaldecke auch ausreiche, wenn Kollegen krankheitsbedingt ausfallen oder im Urlaub/Frei sind. Ansonsten sei die Arbeitsbelastung zu hoch und die Leute verschleißen und brennen aus.

Strupeit glaubt, die Politik sei willens an Stellschrauben zu drehen. Jedoch würden Maßnahmen gegen den Pflegenotstand erst in ein paar Jahren sichtbar. Unabhängig davon sei es an der Zeit, das Image des Berufs zu verändern. In den Medien werde Pflege oft als Notstand dargestellt. Die Ableitung daraus sei: Der Pflegeberuf ist kein guter Job. Strupeit sieht aber, dass viele tolle Kollegen täglich eine tolle Arbeit leisten. Es sei ein Beruf, in dem man von Patienten sehr viel zurückbekomme, so der Fachmann.

Kritisch sieht die Lage in ländlichen Regionen aus. Dort drohen Versorgungslücken, weil jahrelang zu wenig Fachkräfte ausgebildet wurden. Gehen dann Pflegerinnen in Rente, können frei Stellen nicht besetzt werden und der Pflegenotstand wächst. Das wird laut Strupeit vor allem auf dem Land für Versorgunglücken sorgen. Die können auch nicht von ambulanten Pflegediensten geschlossen werden. Zwar entstehe hier politisch gewollter Wettbewerb. Doch auch die neuen Anbieter suchen nach Fachkräften. Hinzu kommen lange Anfahrtswege; es rechne sich finanziell oft nicht, die Menschen auf dem Dorf adäquat zu versorgen.