Buchtipp: Neinsagen für Anfänger

Wege aus der Nettigkeitsfalle

Wege aus der Nettigkeitsfalle oder Neinsagen für Anfänger
Nele Süß: Wege aus der Nettigkeitsfalle (Bild: Humboldt) (*)

Freitagabend. Freies Wochenende in Sicht. Schwester Sandra lehnt sich zurück. Die letzten zwei Wochenenden hat sie gearbeitet. „Endlich mal wieder Samstag und Sonntag frei.“

In diesem Moment klingelt Sandras Handy. Frau Hansen ist dran, die Pflegedienstleitung: „Wir haben einen Krankheitsausfall. Können Sie am Wochenende einspringen?“

Eine gute Antwort in diesem Moment wäre: „Nein! Bitte suchen Sie sich jemand anderen. Ich bin mit meinen Kräften am Ende.“  Aber Schwester Sandra antwortet: „Also gut. Äh, ja. Jemand muss es ja machen.“ Und sie ärgert sich schon im nächsten Moment über ihre schnelle Zusage. Schon wieder muss sie ihrer Freundin absagen…

Welche Pflegekraft kennt diese Situation nicht? Soziale Menschen tun sich häufig schwer damit, „nein“ zu sagen – und sagen lieber „ja“. Denn es entspricht ihnen, zu helfen, wo es nur geht.

Allen, die sich schon einmal darüber geärgert haben, dass sie „ja“ sagten, obwohl sie „nein“ meinten, kann ich ein Buch empfehlen: „Wege aus der Nettigkeitsfalle. Der ideale Ratgeber für schrecklich nette Menschen.“ Untertitel: „Neinsagen für Anfänger.“

Sprache und Stil des Buches

Die Autorin Nele Süß versteht es, mich persönlich anzusprechen, da sie nicht von oben herab zu mir redet. Sie räumt sogar ein, dass sie selbst schon in den falschen Situationen „ja“ gesagt hat. Das Buch ist gut lesbar. Man könnte es ohne Probleme in einem Zug durchlesen.

Praktische Übungen

Ich habe aber für mich beschlossen, dass es nicht sinnvoll ist, alles in einem Rutsch zu lesen. Denn das Buch enthält zahlreiche praktische Übungen. Da lohnt es sich, eine Pause einzulegen – und erst wieder weiter zu lesen, wenn man diese Übung ein paarmal im Alltag ausprobiert hat. Beispielsweise fand ich den Tipp klasse, sich eine Situation vorzustellen, in der man falsch reagiert hat – und sich dann auszumalen, wie man besser reagieren könnte. Mir hat es geholfen, dass ich tatsächlich „nein“ sagen konnte, als eine wiederholte Anfrage in einer ähnlichen Situation kam. Und zwar klar, freundlich und bestimmt. Bei weiteren praktischen Übungen geht es um innere Glaubenssätze, die ich mit mir herumtrage – oder um Aspekte wie Wortwahl oder Haltung.

Nein, Frau Hansen

Ich wünsche Schwester Sandra, dass sie Wege findet, nein zu sagen – aus Liebe zu sich selbst. Und dass sie dadurch mehr Kraft hat für die ihr anbefohlenen Menschen. Möge dieses Buch für alle Sandras in der Pflege eine Hilfe dazu sein.

Denn: Jedes „nein“ ist auch ein „ja“
Jedes „nein“ für eine Sache ist zugleich ein „ja“ für etwas anderes. Wenn Sandra also „nein“ zu Frau Hansen sagt, sagt sie damit „ja“ zu sich selber.