Generalistische Pflegeausbildung: Das sagen die Verbände

Was für und gegen die Generalistik spricht

Wenn es um die generalistische Pflegeausbildung geht, scheiden sich die Geister. Wir haben bei den Berufsverbänden nachgefragt. Wer ist dafür, wer dagegen und warum.

Contra: Bewerberzahl wird einbrechen

Christina Kaleve (Foto: DBVA)

“Aktuelle Studien zeigen, dass die geplante generalistische Ausbildung weder die Attraktivität steigert noch zu mehr dringend benötigten Auszubildende führt, das Gegenteil wird vorhergesagt. Die derzeit ständig zunehmende Bewerberzahl für die Altenpflegeausbildung, wird mit dem Umbau in eine generalistische Pflegeausbildung, einbrechen.

Außerdem werden dann keine gut auf ihre Tätigkeit vorbereiteten Altenpflegerinnen und Altenpfleger in den ambulanten Diensten und Heimen ankommen um ihre jetzt schon hoch belasteten Kolleginnen zu entlasten. Stattdessen werden die neuen Pflegefachfrauen und -männer weiter angeleitet werden müssen und so die Belastung für alle erhöhen. Drei Pflegeberufe in einem, bei gleicher Kompetenz wie sie heute vorhanden ist, geht nicht – die Zeche zahlen die zu Pflegenden und die Pflegerinnen und Pfleger.“

Christina Kaleve, Bundesvorsitzende DBVA – Deutscher Berufsverband für Altenpflege e.V.

 

Pro: Ziel muss sein, die Pflegeausbildung weiterzuentwickeln

Gertrud Stöcker (Foto: DBfK)

„Mit der generalistischen Ausbildung wird der Pflegeberuf zukunftsfest gemacht. Die Ausbildung regelhaft auch an Hochschulen als zweitem Berufszugang zu eröffnen, ist eine wichtige Weichenstellung angesichts der gestiegenen Anforderungen an die pflegerische Versorgung und ein Schritt hin zur Normalität in den anderen EU-Staaten. Vorbehaltene Aufgaben für die Profession Pflege zu formulieren, fordert der DBfK seit 20 Jahren. Mit dem Gesetzentwurf ist dafür eine gelungene Regelung gefunden worden.

Ziel der Gesetzesreform muss sein, die Pflegeausbildung weiterzuentwickeln, damit die Absolventen auf die qualitativen Anforderungen des Berufes gut vorbereitet werden und den Beruf möglichst lange ausüben können und wollen. Deshalb darf es keine Kompromisse bei den qualitativen Anforderungen an die Ausbildung geben! Das fängt an bei den Zugangsvoraussetzungen und hört bei der Frage, wie Lehrende qualifiziert sein müssen, nicht auf. Sowohl im bisherigen Alten- wie auch im Krankenpflegegesetz gibt es hier Modernisierungsbedarf. Die traditionelle Vernachlässigung der Berufsqualifizierung im Frauenberuf Pflege darf nicht fortgesetzt werden.

Gertrud Stöcker, Vizepräsidentin DBfK – Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe

 

Contra: Generalistik macht nicht attraktiver, sondern schreckt ab

„Aus drei Berufen einen zu machen, und das bei gleichbleibender Ausbildungsdauer, ist abenteuerlich. Die nötigen Spezialisierungen der verschiedenen Pflegeberufe gehen verloren. Die bisherige bewusste Entscheidung für einen der Berufe wird ignoriert. Nötiges Spezialwissen müssen sich die Auszubildenden auf eigene Kosten nach dem Abschluss aneignen.

Nur noch ein Viertel der Ausbildung findet im Krankenhaus oder Altenpflegeeinrichtungen statt. Das ist faktisch eine Halbierung der Praxisanteile, und schwächt die Bindung an die Ausbildungsbetriebe. Für die Einrichtungen wird das Verfahren sehr bürokratisch und kompliziert und die Existenz der Altenpflegeschulen wird gefährdet. Die Ausbildung wird nicht attraktiver, sondern abschreckend, sie bereitet nicht auf die Praxis vor, und am Ende gehen nach einer Expertise der Hans-Weinberger-Akademie über 50.000 Ausbildungsplätze verloren.“

Bernd Tews, Geschäftsführer bpa – Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V.

 

Pro: Gesamtkompetenz der Pflegenden dringend nötig

Rolf Höfert (Foto: DPV)

„Der Deutsche Pflegeverband begrüßt den Entwurf zur Ausbildungsreform.
Insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Multimorbidität älterer Menschen in Altenpflegeheimen und Patienten mit eingeschränkter Alltagskompetenz in Krankenhäusern ist eine Gesamtkompetenz der Pflegenden dringend erforderlich. Krankenpfleger müssen immer mehr Kenntnisse im Umgang mit Demenzkranken mitbringen, Altenpfleger dagegen benötigen mehr medizinisch-pflegerisches Know-How.

Den geänderten Rahmenbedingungen und Bedürfnissen der Patienten und Pflegebedürftigen kann nur mit einer Reform der Pflegeausbildung hin zu einer generalistischen Ausbildung mit Schwerpunkt entsprochen werden.“

Rolf Höfert, Geschäftsführer Deutscher Pflegeverband DPV e.V.

Contra: Schlimmste Befürchtungen werden wahr

Thomas Knieling (Foto: VDAB)

„Mit dem vorliegenden Referentenentwurf bestätigen sich aus Sicht der professionellen Pflege die schlimmsten Befürchtungen. Der Gesetzgeber geht ohne Not und zu enormen Kosten ein hohes Risiko ein. Denn für die reine Annahme, das Ergebnis der generalistischen Pflegeausbildung sei eine höhere Attraktivität und ein moderneres Berufsbild, geben die zuständigen Ministerien jahrzehntelang gewachsene und hoch spezialisierte Berufe auf. Die Opfer sind Pflegebedürftige, die Spezialkenntnisse für eine individuelle Versorgung in Zukunft mehr denn je brauchen und die Pflegeeinrichtungen, denen ein zusätzlicher Engpass bei den Fachkräften gepaart mit erhöhter Bürokratie zugemutet wird.

Sowohl die Ministerien als auch die anderen Befürworter der Generalistik blieben den Beweis schuldig, dass mit einer Ausbildungsreform das primäre Ziel erreicht werden kann, mehr Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen und damit den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Dies kann keine Ausbildungsreform schaffen, sondern nur verbesserte Arbeits- und Rahmenbedingungen für die Menschen, die die tägliche Pflege am Menschen leisten.“

Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer VDAB – Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V.

 

Pro: Generalistische Pflegeausbildung muss Schwerpunkte bisheriger Ausbildungen enthalten

Imme Lanz (Foto: DEVAP)

„Der DEVAP begrüßt den lange erwarteten Gesetzentwurf zur generalistischen Pflegeausbildung ausdrücklich. Der demografische Wandel verändert den Versorgungsbedarf pflegebedürftiger Menschen. Stationäre Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste versorgen heute immer mehr multimorbide Menschen mit umfangreichem medizinischem und pflegerischem Bedarf. Durch die wachsende Anzahl älterer Patienten in den Krankenhäusern nehmen gleichzeitig die Anforderungen an sozialpflegerische und gerontologische Kenntnisse in der Akutversorgung zu. Nur ein generalistisches Bildungskonzept bildet alle Kompetenzen ab, die für die zusammenwachsenden Aufgabenbereiche benötigt werden.

Wir sehen allerdings an einigen Stellen Verbesserungsbedarf an der ersten Fassung des Pflegeberufsgesetzes: Vor allem dürfen die Pflegebedürftigen nicht noch stärker finanziell belastet werden. Um die generalistische Pflegeausbildung auskömmlich zu finanzieren, ist es deshalb notwendig, die Pflegeversicherungsleistungen deutlich anzuheben. Außerdem muss sichergestellt sein, dass im Rahmenlehr- und im Rahmenausbildungsplan die wesentlichen Schwerpunkte aller bisherigen Ausbildungen berücksichtigt werden.“

Imme Lanz, Geschäftsführerin DEVAP – Deutscher Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege e.V.