Tödliches Bauchgefühl

Die Halloween Geschichte der Pflegebibel

Halloweenkürbis
Halloweenkürbis (Bild: pixabay.com)

Lydia Bauer war eine liebenswerte und erfahrene Krankenschwester mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Sie liebte die Psychiatrie und so kam es, dass sie seit ihrer Ausbildung in dort arbeitete. Das waren nun immerhin schon 30 Jahre. Doch sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel. So hatte sie sich vor kurzem dazu entschlossen in die Forensik zu wechseln. Die ersten Wochen waren spannend und ereignisreich, denn selbst für sie als alten Hasen gab es noch viel zu lernen.

Nach der Einarbeitung und den ersten Wochen auf Station war es an der Zeit für ihren ersten Nachtdienst. Mit ihr im Dienst waren eine Pflegekraft und der Stationsarzt Dr. Bogdanovic. Ihn hatte sie noch nicht kennengelernt, denn er war für mehrere Wochen als Krankheitsvertretung in einer Außenstelle eingesetzt. Er wurde ihr als kleiner, gutmütiger und etwas dicklicher, bärtiger Mann beschrieben. Stets mit einem offenen Ohr für seine Patienten und sah auch in der Nacht regelmäßig nach dem rechten. Was man ihr erzählt hatte gefiel ihr und sie freute sich darauf ihn kennenzulernen.

Der Kriseninterventionsraum

In dieser Nacht hatten sie einen Patienten im Kriseninterventionsraum. Er war im Spätdienst auf einen Kollegen losgegangen. Glücklicherweise war das nicht an der Tagesordnung. Der Raum war videoüberwacht, der dazugehörige Monitor befand sich im Stationszimmer. Die Einrichtung selbst war zweckdienlich und bestand im Wesentlichen aus einem Waschbecken und einer Toilette aus Edelstahl. Schlafen konnten die Patienten auf einer fest installierten Pritsche, die für Notfälle über Fixiergurte verfügte. Steckdosen oder andere potentiell Gefahren gab es nicht. Die Tür verfügte über eine Klappe, um den Patienten mit Essen zu versorgen, sowie ein von außen verschließbares Sichtfenster.

Beim betreten des Raumes galt äußerste Vorsicht, denn immer wieder kam es vor, dass Patienten versuchten das Personal zu überwältigen, um zu flüchten. Lydia wusste, welche Sicherheitsmaßnahmen es zu berücksichtigen galt und fühlte sich durch ihre Einarbeitung auf mögliche Gefahrensituationen gut vorbereitet. Vorschriftsmäßig sah sie nach dem rechten. Neben dem regelmäßigen Blick auf den Monitor führte sie dafür die üblichen Rundgänge durch.

Endlich Pause

Gegen Mitternacht fand Lydia endlich Zeit für eine kurze Pause und setzte sich gemeinsam mit ihrer Kollegin auf eine Tasse Kaffee ins Dienstzimmer. Üblicherweise machten die Pflegekräfte ihre Pause gemeinsam mit dem Stationsarzt. Sie versuchten mehrfach Dr. Bogdanovic telefonisch zu erreichen, doch sein Anschluss war besetzt. Möglicherweise ein nächtliches Krisengespräch mit einem Angehörigen oder einem ehemaligen Patienten. So etwas kam öfter vor. Nach einer halben Stunde gingen die beiden Krankenschwestern wieder an die Arbeit.

Als Lydia Bauer nach ihrer Pause erstmals wieder auf den Monitor blickte, erschrak sie. Ihr Patient lag reglos in der Mitte des Raumes. Ein ihr unbekannter Mann in einem Arztkittel stand daneben. Der Kittel schien blutverschmiert. Nachdem der erste Schreck verflogen war, eilte sie zum Kriseninterventionsraum. Außer Atem öffnete sie die Klappe und sprach den Unbekannten an. „Ich bin Dr. Bogdanovic,“ sagte der Mann. „Der Patient wollte auf mich einschlagen. Ich habe ihn zurückgestoßen, dabei ist er zu Boden gegangen und mit dem Kopf aufgeschlagen,“ fügte er hinzu.

Komisches Bauchgefühl

Lydia hatte ein seltsames Bauchgefühl. Irgendetwas an diesem Mann war komisch. Er entsprach so gar nicht der Beschreibung, die man ihr gegeben hatte. „Bitte öffnen sie die Tür und helfen sie mir. Wir müssen den Mann versorgen,“ rief er ihr durch die geöffnete Klappe entgegen. „Können sie irgendwie beweisen, dass sie Dr. Bogdanovic sind?“ fragte sie den Unbekannten. „Bitte, sie müssen mir einfach glauben. Der Mann benötigt schnell Hilfe, sonst stirbt er vielleicht,“ entgegnete er mit Nachdruck. In diesem Moment erinnerte sich Lydia daran, dass Dr. Bogdanovic regelmäßig nachts nach seinen Patienten sah. Auch, wenn ihr noch immer nicht ganz wohl bei der Sache war, atmete sie ein letztes Mal tief durch. Dann öffnete sie die Tür.

Sie betrat den Raum und beugte sich über die Person am Boden. Sie konnte keinen Puls fühlen. Sie drehte den Mann auf den Rücken und erkannte sofort, dass hier etwas nicht stimmte. Seine Augen waren weit aufgerissen und an seinem Hals erkannte sie Würgemale. Sie wollte sich zu Dr. Bogdanovic umdrehen und ihn auffordern, ihr doch endlich zu helfen. In diesem Moment spürte sie, wie sich von hinten zwei Hände um ihren Hals legten und zudrückten. „Manchmal sollte man besser auf sein Bauchgefühl hören,“ sagte der Mann, der vorgab Bogdanovic zu sein. Sie versuchte noch sich zu wehren und um Hilfe zu rufen, doch dann verließen sie ihre Kräfte.

Und hier geht es zur Halloween Geschichte vom letzten Jahr…